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Dorfentwicklung im Land Brandenburg ‒ Teil 1
Kulturgut im ländlichen Siedlungsraum

Der folgende Text von Dipl.-Architekt Norbert Rauscher (Glienicke/Nordbahn) wurde ursprünglich für die Broschüre "Dorfentwicklung in Brandenburg" (siehe unten) verfasst. Die Wiedergabe hier auf der Webseite erfolgt als überarbeitete Fassung mit diversen Ergänzungen, Korrekturen und Aktualisierungen sowie mit zusätzlichen Fotos und Zeichnungen. Soweit nicht anders angegeben, sind alle Fotos (meist digitalisierte Diapositive aus dem Zeitraum 1995-2001, dazu einige aktuellere Aufnahmen) sowie Zeichnungen und Texte Arbeiten des Verfassers, sie unterliegen dem Urheberrechtsschutz, siehe Impressum.

Gesamtkonzeption und Gestaltung der Broschüre sowie inhaltliche Bearbeitung der Teile 2 bis 6 durch Norbert Rauscher, inhaltliche Bearbeitung Teil 1 durch Märkische Akademie ländlicher Raum e.V. (Seddiner See), herausgegeben 2002 vom damaligen Ministerium für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung (MLUR) des Landes Brandenburg. Nachfolgend wird Teil 2 Kulturgut im Siedlungsraum (Seiten 13-28) der Broschüre wiedergegeben, die Teile 3 Gebäude und Baugestaltung (Seiten 29-44) und 4 Natur und Landschaft (Seiten 45-50) folgen auf der nächsten Seite (siehe hier: ). Die oberste Bildreihe ist der Stockphoto-Galerie Nr.1a "Dorf und Bauernhaus" entnommen (siehe hier: ), vier Gebäude waren ehemals Bauernhäuser, das zweite Haus war ein Pfarrhaus, alle im heutigen Bundesland Brandenburg.

 

 
 
Spurensuche im ländlichen Raum

Die Menschen haben im Siedlungsraum bis in die jüngste Vergangenheit Spuren hinterlassen, die zu großen Teilen heute als schutzwürdig gelten. Wer sich mit der Entwicklung unserer Dörfer befasst, sollte daher über ausreichend historisches Wissen verfügen, gleichgültig, ob er eine Siedlung oder nur ein einzelnes Gebäude betrachtet. Historische Kenntnisse sind die Voraussetzung für den fachgerechten Umgang mit den schutzwürdigen Kulturgütern des ländlichen Raumes.
 


 
 

Dörfer, Gebäude und Bautechnik

Im Kernbereich unserer märkisch-brandenburgischen Dörfer sind die historischen Siedlungsformen meist noch gut erkennbar. Für viele Menschen sind ihre Wohnorte das, was mit dem Begriff Heimat zuerst verbunden und schon deshalb instinktiv als schutz- und entwicklungswürdig betrachtet wird. Um Verwechslungen und Irrtümer auszuschließen, sollte man dabei in Brandenburg besser von brandenburgischen Dörfern sprechen, denn märkische Dörfer gibt es auch im Märkischen Kreis im Gebiet des heutigen Westfalen, hervorgegangen aus der Grafschaft Mark (umgangssprachlich "Die Mark"), seit 1609 durch Erbfall zu Brandenburg-Preußen gehörig. Bei den Dörfern der Niederlausitz ist zu beachten, dass diese bis auf wenige Ausnahmen nie "märkisch" waren, sondern bis 1815 sächsisch und danach der preußischen Provinz Brandenburg zugeschlagen wurden, die Mark Brandenburg existiert seitdem als Herrschaftsgebiet de jure nicht mehr und auch als Heimatbegriff für die Niederlausitz ist die Bezeichnung falsch. Die Dörfer und Gemeinden der Niederlausitz sind jetzt brandenburgisch, aber nicht märkisch.
 
 
Die Gestalt des märkischen / brandenburgischen Dorfes

Die Struktur eines Dorfes ergibt sich aus der Beziehung der privaten Grundstücke zum öffentlichen Raum. Nach diesem Kriterium werden die Ortsbilder bestimmten Gruppen zugeordnet. Die in Brandenburg vorherrschenden Dorfformen sind das Angerdorf und das Straßendorf in allen Varianten. Der öffentliche Raum wird unter anderem geprägt durch die Stellung der Baukörper auf den Grundstücken, einzelne Dominanten (Kirchturm) und innerörtliche Grünstrukturen.

Angerdörfer gehören zu den planmäßig gegründeten Dorfanlagen. Die privaten Häuser und Höfe eines Angerdorfes umschließen immer eine unterschiedlich große und langgestreckte Freifläche, den Anger. Es gibt mindestens zwei Zugänge für eine durchgehende Straße. Die Straße teilt sich im Dorf, so dass der Anger als nutzbarer Bereich in der Mitte erhalten bleibt. Mit dem allgemeinen Ausbau der Verkehrswege übernahm eine Seite die Funktion der Durchgangsstraße, die andere blieb als unbefestigter Weg erhalten, welcher vielfach noch heute in dieser Form nur dem Anliegerverkehr dient.

Der Anger war Allgemeinbesitz. Er diente als gemeinsame Nutzfläche und Bauplatz für Kirche, Friedhof, Schmiede und Hirtenhaus, Dorfteich als Viehtränke und Feuerlöschteich sowie in späteren Jahren für Schule und Spritzenhaus; außerdem war er Auslauf und Sammelplatz für Tiere. Die beiden Zugänge eines Angerdorfes wurden vor Jahrhunderten am Abend im wörtlichen Sinne geschlossen, der Anger wurde damit zum geschlossenen Stall, im Gegensatz zum "Upstall", dem offenen Stall, der außerhalb des Dorfes lag und dem Dorfhirten unterstand. Der Weg, auf dem die Tiere zum Upstall getrieben wurden, war die "Trift"; der alte Begriff "triften" bedeutet treiben. Noch heute gibt es in vielen Dörfern einen Triftweg oder eine Triftstraße. Anger, Trift, Upstall und Hutung gehörten zur "Allmende", sie waren Gemeinbesitz und wurden von allen Dorfbewohnern gemeinsam genutzt.

Mit der Auflösung der festen Dorfgrundrisse und ihrer Erweiterung entlang der Ausfallstraßen entstanden zunehmend Stellen für Kleinbauern, Kossäten und Büdner am Rande der Dörfer. Hier wohnten immer die ärmeren Schichten. Noch heute ist dieses ehemalige soziale Gefälle an der Größe der Häuser ablesbar. Die alten Höfe der Vollbauern befinden sich immer im Zentrum des Dorfes.

 

• Links: Dorfanger mit Kirche, Friedhof und Kriegerdenkmal (Nunsdorf, Teltow-Fläming)
• Rechts: Großes Angerdorf, mittelalterlicher Ursprung, mit Ortswachstum entlang der Ausfallstraßen ab etwa 1870 (Marwitz, Oberhavel); Bauerndorf mit Zwei-, Drei- und Vierseithöfen; auf dem Anger Kirche, Küsterhaus, Teich, ehemalige Dorfschule und Schmiede (Dorfentwicklungsplanung von Dipl.-Architekt Norbert Rauscher, Bestandsdarstellung, 1996)
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Rundlinge und Platzdörfer sind eine spezielle Ausprägung der Angerdörfer. Auch hier existiert eine (von Wegen umschlossene) Freifläche, jedoch nicht langgestreckt, sondern rund oder hufeisenförmig und mit ursprünglich nur einer Zufahrt. Bei kleinen Rundlingen stand die Kirche außerhalb des Dorfkerns, bei größeren auf dem Anger.

Eine solche Situation war schwer zu erweitern und daher im Laufe der Zeit unpraktisch. Nur in wenigen Fällen ist der Dorfgrundriss unverändert erhalten geblieben, meist wurden später Durchfahrten geschaffen, so dass funktionell zum Angerdorf kein Unterschied mehr besteht. Lediglich die kompakte Form lässt noch den Ursprung erkennen. Bei annähernd quadratischen Angerflächen spricht man eher von Platzdörfern.

Straßendörfer haben eindeutig keinen Raum für öffentliche Funktionen im Straßenbereich, darin besteht der Unterschied zum Angerdorf. Es gibt immer nur eine, meist mittig liegende Straße, von der nach beiden Seiten die Zufahrten der Höfe abzweigen. Im zentralen Bereich existiert keine Nebenstraße neben der eigentlichen Dorfstraße. Je nach Abstand der Hausreihen entsteht beidseitig der Straße lediglich ein mehr oder weniger breiter Grünstreifen, entsprechend handelt es sich um ein Straßendorf mit erweitertem Straßenraum oder nur um ein einfaches Straßendorf. Alle Gemeinschaftsfunktionen sind in die Häuserreihen integriert oder hinter die Höfe verlagert. Durch entsprechende Gestaltung des Straßenraumes konnte jedoch wichtigen Funktionen (Kirche) ein besonderer Platz mit öffentlicher Wirkung eingeräumt werden.

Der zweite Unterschied besteht in der Tatsache, dass bei Straßendörfern die Entstehung nicht immer eindeutig bestimmt werden kann. Es gab in vielen Fällen keine planmäßige Ortsgründung. Auch das spätere Ortswachstum ist beim Straßendorf im Grundriss nicht mehr nachvollziehbar, während es beim Angerdorf aus der Lage des Angers zweifelsfrei zu ermitteln ist. Falls ein Straßendorf doch durch eine planmäßige Gründung entstanden ist, kann dieser Vorgang teilweise noch heute im Ortsgrundriss nachgewiesen werden. Der Straßenraum wurde dann häufig etwas erweitert und an den Dorfenden durch Reduzierung der Abstände der letzten gegenüberliegenden Gebäude erkennbar zum Abschluss gebracht. Alles, was danach kommt, ist später entstanden.

Straßenangerdörfer sind Mischformen, bei denen entweder ein ursprüngliches Angerdorf entlang der Ausfallstraßen gewachsen ist oder ein Straßendorf von Anfang an nur im Zentrum oder an einem Ende der Straße eine kleine angerartige Erweiterung etwa für die Kirche und den Friedhof besaß. Die Bezeichnung wird teilweise unkritisch gebraucht. Sofern annähernd genaue Erkenntnisse über die Gründungsform eines Dorfes vorliegen, sollte auch die entsprechende Bezeichnung verwendet werden, da sich sämtliche Angerdörfer in diesem Sinne inzwischen zu Straßenangerdörfern entwickelt haben.

Aufschlussreiche Informationen zu dieser Dorfform bietet der Ausgrabungsbericht zum Dorf Horno von 2004 vor seiner Zerstörung durch Abbaggerung für den Braunkohletagebau (siehe Teil 5, Literaturverzeichnis: Henker / Kirsch, Dorfgründungen in der Lausitz; dort auf Seite 179 eine Zeichnung der Dorfanlage). Das mittelalterliche Dorf Horno wurde bereits bei seiner Gründung im frühen 13.Jahrhundert planmäßig als Straßenangerdorf angelegt, ein Straßendorf mit einer sehr breiten Dorfstraße und einer einseitigen Erweiterung zum Anger mit Kirche, Friedhof und Dorfteich. Es wird deshalb zu Recht als Straßenangerdorf bezeichnet, die Dorfform ist damit genauso alt wie reine Angerdörfer.

Gassendörfer sind kleine einfache Straßendörfer mit engem Straßenraum. Die Bezeichnung ist unpräzise und weist umgangssprachlich lediglich auf einen bescheidenen Status des Dorfes insgesamt hin. Gassendörfer besitzen meist keine eigene Kirche und sind einem benachbarten Dorf angeschlossen.

Reihendörfer (Hufendörfer) sind im Brandenburger Raum eine Ausnahme. Gelegentlich finden sie sich noch als Marschhufendorf an der Elbe (Westprignitz) oder bei friderizianischen Kolonien. Entstanden sind diese Siedlungen meist aus einer einseitig entlang einer natürlichen Gegebenheit (Weg, Damm, Fluss, Niederungsrand) gewachsenen oder geplanten lockeren Hausreihe. Stehen die Höfe sehr eng oder gar in geschlossener Front, wird von Zeilendörfern gesprochen. Wurde später auch die zweite Seite des Weges bebaut, mutierte das Ganze zum Straßendorf.

Neben diesen regelmäßigen Siedlungsformen gibt es noch diverse Misch- und Sonderformen, so z.B. regellose oder aus der naturräumlichen Situation erwachsene Streusiedlungen. Keine dieser Formen ist typisch für das brandenburgische Land.

 

• Links: Reihendorf aus friderizianischer Zeit, abseits gelegene ehemalige Kolonie für Holländer, um 1776, erschlossen als Hufendorf (Neuwerder, Havelland)
• Rechts: Kleines Straßendorf, ehemalige LPG-Anlagen im Außenbereich (Rhinow-Kietz, Havelland); Bauerndorf mit Zwei-, Drei- und Vierseithöfen (Dorfentwicklungsplanung von Dipl.-Architekt Norbert Rauscher, Bestandsdarstellung, 1996)
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Das Abbild der Sozialstruktur im traditionellen Dorf

Ein Dorf im alten Sinne war eine komplexe und vielschichtige Siedlungsform, es konnte bei guter Ausstattung über alle wesentlichen Funktionen für das tägliche Leben verfügen. Dabei haben die internen Besitzverhältnisse und das sich daraus ergebende soziale Gefüge sowie regional typische Wirtschafts- und Lebensformen teilweise deutlich die städtebauliche und architektonische Gestalt der Dörfer geprägt. Sie ist als Geschichtsdokument und Kulturgut schutzwürdig.

Wenn von Dorferneuerung gesprochen wird, sollte zuerst immer nach Möglichkeiten gesucht werden, die Lebensfähigkeit des Dorfes im ursprünglichen Sinne zu erhalten oder, soweit es die gegenwärtigen Rahmenbedingungen zulassen, wieder herzustellen. Da das Leben im Dorf heute von anderen Inhalten geprägt ist, werden auch andere Funktionen im Vordergrund stehen. Es bleibt jedoch bei der Tatsache, dass ein Dorf sich auch heute noch durch eine gewisse Vielschichtigkeit seiner Funktionen von einer allgemeinen Siedlung unterscheidet bzw. unterscheiden sollte. Die Aufgabe der Dorferneuerung besteht deshalb auch darin, das Absinken der alten Dörfer auf das Niveau von Wohn- und Schlafsiedlungen zu verhindern.

Bauerndörfer verkörpern die ursprüngliche und im Mittelalter begründete Struktur unserer Dörfer. Es gab einen Schulzen (hervorgegangen aus dem Lokator), der sich im Auftrag des Landesherren um die örtliche Verwaltung zu kümmern hatte, dafür mit einem größeren Anteil am Hufenbesitz ausgestattet und eventuell von Steuern befreit war (Freihüfner), im Übrigen aber ein Bauer war wie alle anderen Hüfner auch.

Die Bauern waren Eigentümer ihres Landes und nur dem Landesherren durch Steuerleistung verpflichtet. Sie bearbeiteten ihr Land selbst und konnten ursprünglich über dieses frei verfügen. Lehensverhältnisse, Erbuntertänigkeiten und ähnliche Abhängigkeiten entwickelten sich erst später. Schon früh entstanden jedoch aus Erbteilungen und sonstigen familiären Veränderungen auch Besitzverschiebungen und damit soziale Differenzierungen, bis sich insgesamt die für uns heute noch im formalen Ortsbild erkennbaren Strukturen entwickelt haben.

Der Kernbestand der alten Bauernhöfe (Vollbauern, Hüfner) befand sich immer im Zentrum der Dörfer, was noch heute an der Größe der Höfe erkennbar ist. Dazwischen entwickelten sich lediglich die aus Teilung hervorgegangenen Abspaltungen (Altenteiler, Zweitgeborene). Der ursprüngliche Flächenumfang der Höfe ist aus den Flurkarten meist noch gut ersichtlich. In Ortsrandlage befanden sich Kleinbauern (Halbhüfner) sowie Kossäten und Büdner (Häusler). Letztere verfügten nur noch über etwas Gartenland, waren jedoch nicht an den Hufen beteiligt.

Auf dem zur Allmende gehörenden Anger siedelten nur die der Gemeinschaft in Abhängigkeit dienenden (Hirte) oder für diese gegen Bezahlung tätigen Berufsgruppen (Schmied, Küster, Lehrer). Der Pfarrer war ursprünglich ein Bauer und damit Hüfner, später hat er auch die Funktion des Lehrers übernommen. Lediglich der Müller wohnte meist ungeschützt außerhalb der Dorfgemeinschaft, ihm wurden deshalb auch diverse unheimliche Märchen angedichtet (er konnte den Sagen nach z.B. die Wind- und Wassergeister für sich arbeiten lassen und hatte meist auch einen kleinen Drachen, der ihm nach Bedarf goldene Taler beschaffte). Gasthof und Schankrecht waren fast immer mit dem Amt des Schulzen verbunden.

   

• Links: Hof eines Bauern mit Nebengebäuden als Bestandteil eines Bauerndorfes; saniertes Wohnhaus mit hohem Drempel und Zwillings-Drempelfenstern, Nebengebäude aus Ziegel-Feldstein-Mauerwerk in Zwickeltechnik, um 1890 (Schulzendorf, Oberhavel)
• Mitte: Wohnhaus eines Großbauern als Bestandteil eines Bauerndorfes; Ziegel-Sichtmauerwerk, Schieferdeckung, um 1910 (Roddan, Prignitz)
• Rechts: Herrenhaus, sehr großer, ortsbildprägender Fachwerkbau mit Mansard-Walmdach, teilweise noch Kreuzstockfenster, um 1780 (Groß Jehser, Oberspreewald-Lausitz)
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Gutsdörfer sind auf sehr unterschiedliche Weise entstanden, teils aus der mittelalterlichen Dorfgründung und den großzügiger ausgestatteten Führungshöfen (Lokator, Ritter, Schulze), teils auch aus Kloster-, Adels- oder landesherrlichem Besitz (Domänen). Sofern sich Gutsdörfer aus Bauerndörfern entwickelt haben, konnten fehlende Erben, Abwanderungen, Kriege und daraus entstandene Wüstungen sowie das "Bauernlegen" Ursachen für die zunehmende soziale Differenzierung sein. In den meisten Fällen hat der Adel die vakanten Ländereien an sich gezogen und zu Gütern vereinigt. Noch im 19.Jahrhundert sind Güter entstanden durch Freikauf der Bauern im Zusammenhang mit Ablösung und Separation; der Landverkauf machte die Bauern zu Häuslern. Gleichfalls haben sich jedoch gerade im 19.Jahrhundert diverse Bauernhöfe zu einer Größenordnung über 100 ha entwickelt und damit den Status eines "Bauerngutes" erlangt. In diesen Fällen traten die Inhaber der Höfe als Arbeitgeber auf und kaum noch als selbst mitarbeitende Bauern.

Die städtebauliche Gestalt der Gutsdörfer kann sowohl ein Angerdorf als auch ein Straßendorf sein, bei nachmittelalterlicher Entwicklung meist ein Straßendorf, weil für einen Anger (Allmende) kein Bedarf bestand. Immer existiert ein dominierender Gutshof mit Herrenhaus neben den kleineren Bauern- und Kossätenhöfen sowie eine Vielzahl von Insthäusern, Schnitterkasernen, Katen usw., die sich konzentriert um den Gutshof oder auch mitten im Dorf befinden können. Auch die Kirche war teilweise dem Gut unterstellt (Patronatskirche).

Friderizianische Kolonien und Dorferweiterungen sind räumlich und bautechnisch geplante, finanziell und materiell geförderte sowie in der Ausführung durch preußische Baubeamte kontrollierte Ansiedlungen auf zugeteiltem Land der Krone, welches häufig zuvor von privaten (adligen) Landbesitzern oder von Dorfgemeinschaften aus der Allmende zwangsweise zur Verfügung gestellt werden musste. Ziel war die Erhöhung der Bevölkerungszahl durch Urbarmachung und planmäßige Besiedelung ("Peuplierung") von minderwertigen und daher ungenutzten Ländereien sowie die Gewinnung von im Land benötigten Berufsgruppen, z.B. Weber, Spinner, Uhrmacher, Schuhmacher, Bäcker, Gärtner (Obst- und Gemüsebauern), Bauhandwerker. Die Siedler wurden überwiegend außerhalb Brandenburg-Preußens angeworben; auch handelte es sich um ausgediente Soldaten der friderizianischen Armee. Die Phase der planmäßigen inneren Kolonisation begann etwa 1685 (Hugenotten) und zog sich vereinzelt bis um 1800 hin, der Schwerpunkt lag in der Regierungszeit Friedrichs II. zwischen 1740-1786.

Das Besondere an den friderizianischen Kolonien ist ihre klare geometrische Gliederung. Da sie meist für eine bestimmte, sozial einheitlich strukturierte Berufsgruppe errichtet wurden, kamen auch einheitliche Haustypen zum Einsatz, im nichtbäuerlichen Bereich aus ökonomischen Gründen oft Doppelhäuser. Teilweise wurde die Bauart der Häuser den heimatlichen Traditionen der Siedler angepasst ("Holländerhäuser"). In den meisten Fällen wurden die Kolonien als Straßendörfer angelegt, auch als Kreuzstraßendörfer mit einem zentralen Platz, es existieren jedoch auch sehr große Angerdörfer, z.B. im Oderbruch. Die brandenburgisch-preußischen Kolonien sind eine außergewöhnliche Erscheinung in der deutschen Siedlungsgeschichte und als solche unbedingt schutzwürdig.

Die unter staatlicher Regie errichteten Fachwerkhäuser waren allerdings häufig von miserabler bautechnischer Qualität. Bei den heute noch erhaltenen Kolonistenhäusern handelt es sich fast immer um Nachfolgebauten / Ersatzbauten der zweiten oder dritten Generation. Ulrich Schmelz berichtet über die böhmische Weberkolonie Nowawes (Potsdam-Babelsberg), dass die erforderlichen Reparaturen an den Häusern nach 35 Jahren durch die Weberfamilien nicht mehr zu leisten waren. Katja Laudel berichtet, dass im Oderbruch die Grundschwellen der Häuser ohne Fundamentierung nur auf eingegrabenen Holzklötzen oder unmittelbar auf dem Boden lagen, was in kürzester Zeit zur Verrottung führte (zu beiden Autoren siehe das Literaturverzeichnis im Teil 5 dieser Dorfentwicklungs-Seiten: ). Die städtebauliche Gesamtqualität der Kolonien blieb davon jedoch unberührt.

Manufakturdörfer entstanden teilweise schon um 1600, z.B. im Umfeld von Pech- und Glashütten, frühe Industriedörfer verbreiteten sich besonders mit der Industrialisierung auch des ländlichen Raumes im 19.Jahrhundert. Ihre Formen sind vielgestaltig je nach Bedarf. Obwohl es in diesen Dörfern weder Bauern noch Kossäten gab, sind sie teilweise durch zeittypische ländliche Hausformen geprägt.

Bodenreformsiedlungen für Neubauern, Flüchtlinge und Vertriebene (Umsiedler) auf nach 1945 enteignetem Gutsland sind keine eigenständigen Dörfer sondern fast immer Bestandteil eines Altdorfes. Da sich die Ländereien der Güter in Randlage befanden und Teile dieser Ländereien durch Parzellierung aufgesiedelt wurden, entstanden Ortserweiterungen der verschiedensten Form. Sofern räumlich vom Dorf getrennte Außenbereichssiedlungen entstanden, wurden die Ortsnamen dieser Hofgruppen manchmal aus dem Namen des Stammdorfes mit dem Anhang "Ausbau" gebildet (siehe unten, Glossar).

   

• Links: Kolonistenhäuser um 1833, beide vermutlich Nachfolgebauten für ehemalige friderizianische Kolonistenhäuser aus der Gründungszeit des Dorfes; Doppelstubenhäuser, Fachwerk, Krüppelwalm; davor ein dorftypischer Holzlattenzaun (Neulietzegöricke, Märkisch-Oderland)
• Mitte: Reihenhaus für Arbeiter eines Manufakturdorfes, 1829, Ziegel-Fachwerk mit Krüppelwalmdach und Fledermausgauben (Glashütte, Teltow-Fläming)
• Rechts: Wohnstallhaus aus der Zeit der Bodenreform für Vertriebene (Umsiedler) aus Bessarabien, teilweise aus Abbruchmaterial eines ehemaligen Vorwerkes zum Gut Hohennauen errichtet, um 1947 (Schönholz, Havelland)
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Wenn Sie an einem detaillierten Überblick über die dörfliche Sozialstruktur sowie die Bevölkerungs- und Wirtschaftsverhältnisse am Beispiel einer konkreten Region interessiert sind, dann klicken Sie hier: . Vorgestellt werden die Verhältnisse in den Dörfern des damals noch sächsischen Amtes Lübben in der Niederlausitz mit den drei Hauptgruppen Bauern, Kossäten und Büdner in der ersten Hälfte des 18.Jahrhunderts.

Namen mit historischem Bezug sind ebenfalls ein schutzwürdiges Kulturgut. Sie geben Auskunft über sonst nicht mehr erkennbare historische Fakten und sind somit ein indirektes Abbild der Kultur- und Sozialgeschichte. Leider wird dies nur selten beachtet. Der Name "Triftweg" dokumentiert z.B. den Verlauf des früheren Weges vom Dorf zur Gemeindeweide (Hutung), der "Grenzweg" erinnert meist an eine alte Flur- oder Gemarkungsgrenze. Andere Bezeichnungen sind vielleicht der letzte Hinweis auf ehemalige, heute nicht mehr existierende Dörfer (mittelalterliche Wüstungen) oder nach 1945 vollständig beseitigte Adelssitze. Vielfach gehörten mehrere kleine Dörfer zu einem Kirchspiel. Der Pfarrer wohnte in einem der Dörfer und kam nur sonntags zum Gottesdienst in die anderen Orte. Sein Weg war der "Priesterweg", auch dies ein Stück Dorfgeschichte.

Flurnamen sind Eigennamen topographischer Gegenstände, Ortsbezeichnungen, zu denen z.B. auch die Landschafts-, Siedlungs- und Gewässernamen zählen, sie gehören zu den wertvollsten Elementen der Ortsgeschichte. Sie beschreiben die Landschaft sowie vergangene wirtschaftliche und kulturelle Aktivitäten der Menschen in dieser Landschaft und sind somit ein wichtiges Kulturgut. Ihre Entstehung geht auf den Beginn der menschlichen Tätigkeit zurück, sie spiegeln ein Stück der volkskundlichen Überlieferung eines Territoriums wider. Die Separationskarten der ehemaligen preußischen Provinz Brandenburg gehören zu den wichtigsten Quellen. Mit dem Übergang zur großflächigen Bewirtschaftung nach dem Zweiten Weltkrieg sind die meisten der alten Flurnamen leider in Vergessenheit geraten. Eine Website, die sich beispielhaft mit den Themen Separation, Separationskarten und Flurnamen in einem kleinen Dorf in der Niederlausitz beschäftigt, finden Sie hier:


Dorfordnungen und Landrecht zur Regelung des Gemeinschaftslebens

Die sozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen Beziehungen innerhalb der Dorfgemeinschaften wurden schon früh durch eine Vielzahl von zumeist landesherrlichen Vorgaben (Edict, Rescript, Declaration, Patent, Publicandum, Erlaß, Circular-Verordnung, ...), teils aber auch durch Ortsgesetze reglementiert, zu den wichtigsten gehören die alten Dorfordnungen (siehe Literaturverzeichnis, dort auch bei Kunzendorf 1906). Sie wurden mehrfach erneuert, aus ihnen haben sich später die Landgemeinde-Ordnungen entwickelt. So gut wie alle Rechte und Pflichten der sozialen Schichten eines Dorfes waren betroffen, anfangs sogar mit dem konkreten Strafmaß bei Zuwiderhandlung, über die Jahre mit zunehmender Regelungstiefe. Spezielle Themen mit besonderem Regelungsbedarf wurden vielfach in separaten Verordnungen abgehandelt, beispielsweise Brandschutz (Schornsteine, Backöfen, Brunnenbau und Löschwasser, Dachdeckungen, Auseinanderbau), Holzmangel und Holzverbrauch (Baumschutz, Pflanzpflichten für Bäume und Hecken, sparsame und holzschonende Konstruktionen) sowie persönliche Rechte und Pflichten (Bauer-, Gesinde-, Hirten-, Schäfer-, Müllerordnungen); siehe dazu im Teil 4 den zeitgeschichtlichen Überblick am Anfang.

Ein großer Teil der allgemeinen Vorschriften ist 1794 im "Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten" aufgegangen, welches allein ca. 19.000 Paragraphen enthält; zum Dorf-, Gemeinde- und Untertanenrecht siehe dort "Zweyter Theil, Siebenter Titel: Vom Bauerstande" (548 Paragraphen). Dennoch mussten schon bald mit den Stein-Hardenbergschen Reformen ab 1807 unzählige neue Verordnungen erlassen werden zur Anpassung an die grundlegend neuen gesellschaftlichen Verhältnisse. Zu den Rechten und Pflichten des Dorfschulzen und der neuen Gesetzeslage nach diesen Reformen siehe im Literaturverzeichnis Heinrich Anton Mascher (1857): "Der Preußische Dorf-Schulze".


Dorfentwicklung im Umland von Berlin

Eine besondere Situation ergab sich für Brandenburg schon seit etwa 1850 aus der zentralen Lage der Stadt Berlin, welche erhebliche Auswirkungen auf die städtebauliche (dorfbauliche) Entwicklung der Umlandgemeinden hatte. Dieser später als "Speckgürtel" bezeichnete Bereich hat sich mehrfach mit dem Wachstum des Stadtgebietes nach außen verschoben, zuletzt 1920 mit der Bildung von Groß-Berlin und der Eingemeindung von 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirken. Die meisten der eingemeindeten Orte sind als traditionelle Dörfer nicht mehr existent, städtebaulich sind sie nur noch plangrafisch am Straßenverlauf erkennbar, sie sind eingewachsen in die Stadt Berlin. Eine Ausnahme bildet das Dorf Lübars im nördlichen Stadtgebiet. Neue Speckgürteldörfer waren danach die außerhalb des neuen Stadtgebietes liegenden Dörfer.

Ein gutes Beispiel für diese Entwicklung ist das ehemalige kleine Angerdorf Glienicke am nördlichen Stadtrand von Berlin, heute Gemeinde Glienicke/Nordbahn. Seit den 1890er Jahren hat sich hier zunehmend ein starker Siedlungsdruck durch Freizeitnutzung und Wohnungsbau entwickelt, was 1904 und um 1906 zu Parzellierungsplänen durch Überplanung der Flurkarten führte, weitgehend ohne Rücksicht auf die alten Strukturen von Wörden (siehe Glossar unten) und Feldflur, lediglich die vorhandenen Straßen und die zur Bewirtschaftung der Höfe erforderlichen Parzellierungen wurden beibehalten. Außerhalb dieser Flurstücke erfolgte rationale Quartierbildung mit Rasterparzellierung. Das heutige architektonische Ortsbild erinnert nur noch in Resten an das ehemalige Dorf, die Dorfentwicklung ist beendet.



• Das Angerdorf Glienicke, seine Überplanung und Parzellierung um 1906. Unter der neu geplanten Parzellierung sind die alten Flurgrenzen noch teilweise erkennbar, die alten Flurnamen wurden übertragen, so z.B. grün die Woerden hinter den ehemaligen Bauernhöfen. Bildquelle: Website der Gemeinde Glienicke/Nordbahn, Auszug aus der digitalisierten historischen Karte 3, gemeinfrei, siehe direkt hier: Weitere Informationen zur Siedlungsentwicklung in Glienicke/Nordbahn sowie Erläuterungen zu dem gezeigten Kartenausschnitt finden Sie hier:
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Historische Bautechniken

Im historischen ländlichen Raum wird im Wesentlichen zwischen zwei großen Gruppen unterschieden: Holzbau und Massivbau. Zum Holzbau gehören Fachwerk- und Blockbau sowie diverse Mischformen, z.B. Umgebinde- oder Bohlenfachwerkbauten. Dem Massivbau werden alle Mauerwerksbauten aus Ziegel, Naturstein und Werkstein zugerechnet. Lediglich der Lehmbau stellt eine Sonderform dar. Je nachdem, ob er selbsttragend oder nur wandfüllend ist, wird er der einen oder der anderen Kategorie zugeordnet. Die ursprünglich in Brandenburg flächendeckend verbreitete Bauform war der Fachwerkbau, erst um die Mitte des 19.Jahrhunderts hat sich der durchgehende Wandel zum Massivbau vollzogen.

Fachwerkbau ist eine Skelettbauweise, bei der die tragende Holzkonstruktion mit unterschiedlichen Wandbaustoffen geschlossen (ausgefacht) wird. Als Ausfachungsmaterial dienten Holz, Lehm und Ziegel. Beim Lehmrutenfachwerk wurden die gefachbildenden Konstruktionshölzer umlaufend mit einer groben Nut versehen, in welche etwa im Abstand von 15 cm Holzstaken senkrecht und stramm eingeschoben wurden. Die Staken wurden mit Ruten umflochten (umwunden, daher der Begriff "Wand") und das daraus entstandene Flechtwerk mit einem Gemisch aus gebrochenem Stroh und Lehm ausgedrückt / gefüllt, so dass eine mit dem Fachwerk bündige Wandfläche entstand, welche nach dem Abtrocknen des Lehms gekalkt werden konnte.

Häufiger wurde jedoch in Brandenburg auf das Flechtwerk verzichtet und die dichter stehenden Staken direkt mit Strohlehm beworfen und ausgerieben. Dieses Lehmstakenfachwerk ist überall bei baufälligen Gebäuden zu entdecken.

Bohlenfachwerk (Bohlenständerbau) existiert nur noch in wenigen Beispielen, traditionell in den Blockbauregionen im südöstlichen Brandenburg. In diesem Fall wurden die Fachwerkhölzer sauber genutet und in die Nut waagerecht Bohlen eingeschoben. Ziegelfachwerk wurde mit Ziegeln ausgemauert, zur Sicherung und Verankerung der Ausfachung wurden meist schmale Dreikantleisten mittig auf die Fachwerkhölzer genagelt.

Blockbau ist eine nur noch vereinzelt im südöstlichen Brandenburg (Spreewald-Region) anzutreffende Bauweise, bei der sämtliche Wände aus waagerecht auf der Schwelle gestapelten Vollhölzern bestehen. An den Ecken wurden die Hölzer durch Aussparungen auf unterschiedliche Art verbunden (verkämmt, verschränkt, verblattet, verzinkt). Der Blockbau kam für alle Gebäudeformen zur Anwendung. Da teilweise auch Halbstämme oder nur dreiseitig bearbeitete Hölzer eingesetzt wurden, mussten die Fugen der äußeren unbearbeiteten Seite ("Waldkante") mit einer Mischung aus Lehm und Strohhäcksel verstrichen werden; diese Mischung wurde nach dem Abtrocknen weiß getüncht, was im Kontrast zu den dunklen Hölzern ein sehr markantes Fassadenbild erzeugt.

Lehmbau als Massivbau ist eine uralte Bautechnik, jedoch kaum erlebbar, weil sie von außen als solche nicht zu erkennen ist. Zur Absicherung des Witterungsschutzes wurden Lehmwände immer verputzt und gekalkt. Lehmbau taucht in den verschiedensten Varianten in allen Zeiten im Umfeld seiner Fundorte auf, besonders in Notzeiten wurde bis in die jüngste Vergangenheit mit dieser äußerst billigen Bauweise experimentiert (Lehmbau- und Normungsausschüsse in Sachsen und Preußen 1920; Lehmbauten für Neubauern nach 1945 auf Basis von Voruntersuchungen der Kriegszeit). In Preußen hat sich der berühmte Landbaumeister David Gilly um das Thema verdient gemacht. Da Lehm jedoch ein relativ feuchtigkeitsabhängiges und instabiles Gefüge aufweist, blieb der Lehmbau auf ein Nischendasein beschränkt.

   

• Links: Fachwerkkirche von 1689 mit verbrettertem Westturm (Schönberg, Ostprignitz-Ruppin)
• Mitte: Lehmstakenfachwerk, Holzstaken mit Strohlehm, Detail einer im Verfall befindlichen Scheune, um 1800 (Schönwalde, Elbe-Elster)
• Rechts: Bohlenfachwerk, Detail einer Scheune mit verbrettertem Giebel, vmtl. um 1820 (Gruhno, Elbe-Elster)
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Mauerwerksbau aus Ziegel, Naturstein und Werkstein ist so alt wie der Fachwerkbau, er war jedoch in frühen Zeiten immer den besseren Leuten vorbehalten. Ein "festes Haus" war immer ein Herrenhaus. Die ersten festen Bauten der Bauern waren die Feldsteinkirchen, die im Mittelalter auch dem Schutz und der Verteidigung dienten.

Ziegelbauten aus unverputztem Sichtmauerwerk, landläufig als Backsteinbauten bezeichnet, finden sich ohne Einschränkung in ganz Brandenburg, sie erlebten besonders in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts eine bis dahin nicht gekannte Verbreitung. Ganze Landschaften sind durch den Ziegelbau geprägt (z.B. die Region um Bad Wilsnack). Ziegelsichtmauerwerk ist in der Mark Brandenburg seit dem Mittelalter bekannt (Kirchen, Klöster, Herrenhäuser), jedoch kaum im bäuerlichen Bereich. Dort erscheint es zuerst im späten 18.Jahrhundert als Ausfachungsmaterial bei Fachwerkbauten. In der friderizianischen Zeit wurden Massivbauten überwiegend als Putzbauten errichtet; diese waren billiger, der Ziegel konnte von minderer Qualität sein, auch entsprach die verputzte Fassade dem Zeitgeschmack. Die Fassaden von Fachwerkbauten wurden zeitweise über die Hölzer hinweg einheitlich getüncht / geschlämmt, um einen "massiven" Gesamteindruck zu erzeugen.

Die einfachen groben Ziegel für verputzte Massivbauten und verputzte Ausfachungen bei Fachwerkbauten stellten die Bauern für den Eigenbedarf und im Nebenerwerb selbst her, unter Anleitung eines erfahrenen Zieglers. Dazu gibt es einen außerordentlich interessanten, detailreichen und kommentierten Film auf YouTube: Der Lehm beim bäuerlichen Hausbau ‒ Feldbrandziegelei. Ein historischer Film von 1963, bereitgestellt durch die Volkskundliche Arbeitsstelle des Landschaftsverbandes Rheinland beim Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Bonn, wissenschaftliche Bearbeitung durch Dr. G. Simons, siehe direkt hier: (Stand: 24.11.2023). Die Aufnahmen zeigen vollständig den Arbeitsablauf einer historischen Feldbrandziegelei ohne Nutzung von Gebäuden auf dem freien Feld. Es sind Bilder des Landschaftsverbandes Rheinland von 1963 aus Sabershausen im Hunsrück. So hat man um 1850 auch in Brandenburg im ländlichen Raum grobe Ziegel gebrannt. Dauer des Films etwa 47 Minuten, leider wie üblich bei YouTube mit vorgeschalteter und gelegentlich zwischengeschalteter Fremdwerbung, die in keinem Zusammenhang mit dem Inhalt des Films steht (nutzen Sie Firefox mit installiertem Werbeblocker).

Die Stunde der Sichtziegelbauten war spätestens um die Mitte des 19.Jahrhunderts mit Einführung der manufakturmäßigen und bald auch industriellen Massenproduktion gekommen, womit alle nur denkbaren Materialhärten, Ziegelformen, Oberflächenqualitäten usw. ermöglicht wurden. Die Grundfarbe der produzierten Ziegel war abhängig von den regionalen Tonvorkommen, das Farbspiel ist teilweise noch heute prägend und gibt z.B. der Region um Glindow ihr unverwechselbares Bild.

   

• Links: Ziegelsichtmauerwerk aus der Zeit des Jugendstil, äußerst selten und hervorragend erhalten; hinten mit Zwerchgiebel; Segmentbogen-Fenster, Feldsteinsockel, um 1910 (Krampfer, Prignitz)
• Mitte: Verblendmauerwerk, mehrfarbig, teils glasiert, mit Formziegeln und stark plastischem Terrakotta-Schmuck, Bauernhaus von 1911 (Brachwitz, Potsdam-Mittelmark)
• Rechts: Verblendmauerwerk, zweifarbig, mit flächigem Terrakotta-Schmuck als Platten-Fries, Bauernhaus um 1910 (Saßleben, Oberspreewald-Lausitz)
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Bei Wohngebäuden der Gründerzeit wurden oft für die Schmuckfassaden bessere Ziegelqualitäten eingesetzt als für die weniger oder nicht sichtbaren Giebel- und Rückseiten; man erkennt das an den geringen Farbunterschieden und gelegentlichen Frostabplatzungen bei den minderen Qualitäten. Auch kam im späten 19.Jahrhundert vermehrt das Verblendmauerwerk aus Klinkern zum Einsatz, bei dem einem schlichten Rohbau aus Ziegelmauerwerk eine aufwendige Ziegel- oder Ziegel-Stuck-Fassade aus teils glasierten Sonderformaten, Formziegeln und Terrakotta-Platten vorgeblendet wurde; feinste Fassaden hatten sehr schmale und außen unvermörtelte Fugen (Hohlfugen). Giebel- und Rückseiten der Wohngebäude wurden sehr oft ohne jeden Schmuck glatt verputzt, was die Kulissenhaftigkeit der Straßenfassade noch betont.

Bei Nebengebäuden erfolgte die Ausführung bescheidener und rundum einheitlich. Verblendmauerwerk war nicht üblich, Ornamente wurden überwiegend durch das Spiel mit Normalformaten erzeugt, sehr oft in Kombination mit eingemauerten Biberschwanz-Dachziegeln. Die Wirkung der Nebengebäude erscheint damit insgesamt bodenständiger. Alle Varianten sind anzutreffen, die Ausläufer regional unterschiedlich noch bis in die 1930er Jahre. Weitere Informationen zur brandenburgischen Ziegelarchitektur finden Sie im Teil 4 zu dieser Webseite, siehe direkt hier: .

   

• Links: Feldsteinmauerwerk gezwickelt, instand gesetzt, darüber Ziegelsichtmauerwerk mit Rollschicht; Stallgebäude, um 1880 (Polßen, Uckermark)
• Mitte: Feldsteinmauerwerk verfugt, instand gesetzt, darüber Ziegelsichtmauerwerk mit Schmuckfries; Stallgebäude, um 1880 (Schönfeld, Barnim)
• Rechts: Ziegelsichtmauerwerk in qualitätvoller Ausführung an einem quer erschlossenen Wohnhaus mit Drempel, Ziegel-Naturstein-Sockel, Segmentbogen-Fenster, um 1900 (Legde, Prignitz)
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Feldsteinbauten im privaten dörflichen Baubestand waren bis zum Beginn des 19.Jahrhunderts äußerst selten. Verglichen mit dem Fachwerkbau erfordert die Herstellung von Feldsteinmauerwerk einen deutlich höheren Arbeitsaufwand. Holzknappheit und Feuerschutzverordnungen erzwangen jedoch gegen Ende des 18.Jahrhunderts ein Umdenken und verhalfen neben dem Ziegelbau auch dem Feldsteinbau zum Durchbruch, vorerst jedoch nur in geringem Maße. Vorkämpfer waren auch hier die preußischen Landbaumeister und ihre Nachfolger, bereits vor 1800 wurden Anregungen für einfache ländliche Bauten publiziert. Feldsteinbauten wie etwa in Wolfshagen waren noch um 1835 verklärte Reminiszenzen an diese preußische Landbauschule, sie unterlagen hohen ästhetischen Ansprüchen.

Seit der Mitte des 19.Jahrhunderts tauchen größere Mengen an Feldsteinbauten je nach regionaler Verfügbarkeit in vielen Gebieten Brandenburgs auf, vorzugsweise im nordöstlichen und östlichen Raum. Überwiegend handelt es sich um Spaltsteinbauten, Fugen und Zwickel teils mit Splittersteinchen gefüllt (Zwickeltechnik), teils nur vermörtelt, fast immer in Kombination mit Ziegelmauerwerk für Kanten, Ecken, Laibungen usw. Nach der großen Ära der spätfriderizianischen Putzbauten im landesweit bekannten "Preußisch Ocker" waren Sichtmauerwerksbauten aller Gattungen auch schlicht eine Mode des 19.Jahrhunderts. Verputzter Mauerwerksbau war zu allen Zeiten billiger, Naturstein konnte nur dort konkurrieren, wo das Material am Ort vorrätig war und zumindest teilweise in Eigenleistung gebaut wurde.

Vor allem aber ist Ziegelmauerwerk deutlich wärmer. Wohnbauten aus Feldstein benötigten dickere Außenwände, sie sind daher sehr selten, es musste mit Hilfskonstruktionen gearbeitet werden (Hintermauerung), was gleichzeitig erst glatte (weil verputzte) raumseitige Wandoberflächen ermöglichte. In dem bekannten Feldsteindorf Reicherskreuz (Landkreis Spree-Neiße) liegen die Wanddicken der Wohngebäude häufig bei etwa 90 cm. Feldstein allein bringt so gut wie keine Wärmedämmung, er ist jedoch unbegrenzt widerstandsfähig gegen tierische Ausscheidungen und daher bestens geeignet für Stallbauten; hier finden sich auch heute noch die meisten Beispiele. Häufig wurde dabei nur die Sockelzone bis etwa 1,50 m Wandhöhe aus Feldsteinen erstellt, darüber reines Ziegelmauerwerk.


Hofformen im märkischen Siedlungsraum

Der Begriff "Hof" im dörflichen Sinne meint alle zu einem bäuerlichen Betrieb gehörende Funktionen und damit den gesamten Baubestand incl. der von diesem Bestand umschlossenen Freifläche. In den alten Flurkarten ist der "Hofraum" die Fläche, welche der Bebauung vorbehalten war. Da jedoch zumindest im kleinbäuerlichen Bereich zu allen Zeiten auch Wirtschaftsformen mit allen Funktionen unter einem Dach existierten (in der kurzen Zeit der Bodenreform sogar noch nach 1945), kann der Hof auch nur ein Haus sein.

Höfe unter einem Dach sind jedoch inzwischen im brandenburgischen Raum selten, der verbliebene Bestand ist umgenutzt. Falls noch Landwirtschaft betrieben wird, befindet sich der Stall nicht mehr im Haus. Immer handelt es sich um "Einfirsthäuser" mit geradlinigem (nicht abgewinkeltem) Dach. Wohnstallhäuser wurden schon in friderizianischer Zeit aus hygienischen und praktischen Gründen verdrängt, vorhandene Stallteile wurden als Scheune oder Speicher weiter genutzt, später auch abgebrochen (betrifft besonders Mittelflurhäuser). Formal noch am besten erhalten ist dieser Haustyp in den niederdeutschen Hallenhäusern (Westprignitz). Die Wohnstallhäuser der Bodenreformzeit nach 1945 waren aus der Not geborene kurzlebige Einzelfälle.

Zweiseithöfe sind schon häufiger zu finden. Sie sind allgemein als Büdner-, Häusler- oder Kossätenhöfe bekannt und damit als die kleinen Hofstellen der sozial untergeordneten Schichten. Selten sind sie durch winkelförmige Erweiterung (Anbau) aus Einfirsthöfen entstanden, meist aus der gleich ursprünglichen baulichen Trennung von Wohn- und Wirtschaftsteil. Im heutigen Bestand sind ein separates Wohnhaus an der Straße und eine Stallscheune im rückwärtigen, gelegentlich auch seitlichen Bereich die Regel. Es gab diverse Varianten, so z.B. das Wohnspeicherhaus im vorderen und die Stallscheune im hinteren Bereich.

   

• Links: Hof unter einem Dach, Wohnstallhaus (Holländerhaus) aus friderizianischer Zeit, um 1776 (Neuwerder, Havelland)
• Mitte: Offener Vierseithof, traufständiges Wohnhaus um 1820, Scheune vorn links datiert 1897 (Neuwerder, Havelland)
• Rechts: Vierseithof mit Torhaus als geschlossene Hofanlage; zweigeschossiges Fachwerk-Mittelflurhaus (Giebelflurhaus) um 1800, Nebengebäude später (Lühsdorf, Potsdam-Mittelmark)
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Dreiseit- und Vierseithöfe sind die beherrschenden Hofformen in Brandenburg, der Dreiseithof dominiert mit Abstand. Dieser traditionelle Hof eines Bauern und größeren Kossäten besteht aus dem Wohnhaus in Trauf- oder Giebelstellung an der Straße, seitlichen Stall- und Wirtschaftsgebäuden und der rückwärtigen Durchfahrtsscheune. Bei den Vierseithöfen sind beide Seiten durch Stall- und Wirtschaftsgebäude bebaut. Bei Höfen mit Einzelgebäuden spricht man von offenen, bei zusammengebauten Gebäuden von geschlossenen Höfen. Bei flüchtiger Betrachtung erscheinen gelegentlich mehrere benachbarte Dreiseithöfe als Vierseithöfe, weil von außen nicht immer die Zugehörigkeit der seitlichen Nebengebäude zu ermitteln ist. In der Reihung ergeben sich auch bei Dreiseithöfen vierseitig umbaute Hofräume.

Die Höfe wurden im Laufe der Jahrhunderte mehrfach den geänderten Rahmenbedingungen angepasst, so dass mancher Vierseithof durchaus aus einem einzelnen Wohnstallhaus hervorgegangen sein kann. Die größten Veränderungen erfolgten nach der Separation mit dem allgemeinen Aufschwung etwa ab 1860, welcher gleichzeitig starke soziale (auch baulich sichtbare) Umschichtungen im ländlichen Raum mit sich brachte sowie die beginnende Verdrängung der Landwirtschaft durch die Industrie. Der verbliebene und heute von uns als Kulturgut gepflegte historische dörfliche Baubestand ist damit der sichtbare Abschluss einer sehr langen Entwicklung.


Wohngebäude

Die heutige Hauslandschaft im ländlichen Raum Brandenburgs ist durch einen relativ einheitlich strukturierten Bestand an historischen Hausformen gekennzeichnet. Es dominiert das quer geteilte, aus dem Ernhaus hervorgegangene und durch die Zeit um 1800 geprägte märkische Wohnhaus. Von diesem Gebäudetyp und seinen diversen Abwandlungen existiert besonders aus der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts noch eine sehr große und teils ursprünglich erhaltene Zahl von Beispielen. Daneben gibt es nur einen verschwindend kleinen Bestand an anderen Hausformen, die allein wegen ihrer Seltenheit bereits als museal einzustufen sind.

Niederdeutsche Hausformen existieren nur in der äußersten Westprignitz als Dielen- oder Hallenhäuser. Bei den wenigen erhaltenen Gebäuden handelt es sich um die größten Bauernhäuser in Brandenburg, alles Fachwerkbauten aus dem 18. und frühen 19.Jahrhundert, teilweise inzwischen massiv saniert. Kern des Gebäudetyps ist eine sehr große, über ein Giebeltor befahrbare Mittellängsdiele (Halle), zu deren beiden Seiten sich Ställe und Wirtschaftsräume befinden. Dieser Wirtschafts- und Stallteil wird nach hinten durch einen quer gelagerten großen Aufenthaltsbereich (Flett) mit ursprünglich offenem Herd und seitlichem Ausgang abgeschlossen, hinter dem sich am hinteren Giebel der Wohnteil ("Kammerfach") mit Fenstern zur Gartenseite befindet. Der gesamte Dachraum des Gebäudes diente als Bergeraum für die Ernte. Sämtliche Funktionen des Bauernhofes befanden sich in einem Gebäude. Später hat man durch Reduzierung der Vollwalme auf Krüppelwalme einen zweigeschossig nutzbaren Wohnteil erreicht. Die Entwicklung hat sich vielschichtig vom 12. bis zum 19.Jahrhundert vollzogen und kann hier nur angedeutet werden.

   

• Links: Niederdeutsches Hallenhaus, Ziegel-Fachwerk, Rohrdeckung; spätes, umgebautes Beispiel, datiert 1873; saniert, neue breite Gaube; Ansicht Wohnteil (Kammerfach) hinter dem Deich an der Elbe (Besandten, Prignitz)
• Mitte: Niederdeutsches Hallenhaus, Ziegel-Fachwerk, Rohrdeckung; Flettdielenhaus, datiert 1792; Ansicht Wohnteil (Kammerfach) hinter dem Deich an der Elbe (Mödlich, Prignitz)
• Rechts: Niederdeutsches Hallenhaus, Flettdielenhaus, datiert 1792, später zum reinen Wirtschaftsgebäude umgebaut; Ziegel-Fachwerk, alte Schindeldeckung; Ansicht Scheunenseite mit dem großen Dielentor an der Straße (Baarz, Prignitz)
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Märkische Mittelflurhäuser sind entwicklungsgeschichtlich vermutlich aus dem niederdeutschen Bauernhaus hervorgegangen. Es wird angenommen, dass das große Hallenhaus verkleinert und die ursprünglich mit Fuhrwerken befahrbare Diele auf die Größe eines Flurs reduziert wurde; sie behielt aber ihre Lage in der Mitte (unter dem First) des Hauses bei. Aus dieser Tatsache erklärt sich die Bezeichnung Mittelflurhaus. Eigentlich muss von einem Mittellängsflurhaus gesprochen werden, denn auch ein Querflur kann mittig liegen. Die Begriffe längs und quer nehmen beim Hausbau immer Bezug auf den First. Hauptursache für die Veränderung im Grundriss war die Auslagerung von Tenne und Scheune in ein gesondertes Gebäude, wodurch die große Diele keine Funktion mehr hatte und auf das für die Erschließung des Gebäudes nötige Maß reduziert werden konnte. Aus der Diele wurde ein Flur; aus der offenen Kochstelle im Hallenhaus wurde die "schwarze Küche" im Mittelflurhaus. Der zunehmend an Bedeutung gewinnende Wohnteil wurde der Straße zugewandt, der vorerst noch im Haus verbleibende Stallteil nach hinten verlagert.

Neben der weit verbreiteten Bezeichnung "Märkisches Mittelflurhaus" waren bzw. sind für diesen Haustyp in der hauskundlichen Literatur auch die Begriffe Märkisches Dielenhaus, Längsflurhaus, Mittellängsflurhaus oder Giebelflurhaus zu finden. Der Begriff "Märkisches Mittelflurhaus" wurde 1966 für Brandenburg durch den Hauskundler Werner Radig eingeführt in "Das Bauernhaus in Brandenburg und im Mittelelbegebiet", offenbar bezog er sich dabei auf Karl Baumgarten und dessen ein Jahr zuvor erschienene Publikation "Das Bauernhaus in Mecklenburg"; Baumgarten spricht dort vom "Mecklenburgischen Mittelflurhaus" oder ganz einfach vom Mittelflurhaus im Gegensatz zum Niederdeutschen Hallenhaus und Mitteldeutschen Ernhaus. Als umfassendste Bezeichnung für die in Brandenburg auftretenden giebelseitig erschlossenen Häuser erscheint der 2003/2004 von Katja Laudel vorgeschlagene Begriff "Brandenburgisches Giebelflurhaus", weil er auch die Gebäude erfasst, die gar keinen (durchgehenden) Mittellängsflur besitzen sondern nur einen kurzen Stichflur oder einen Knickflur mit traufseitigem Abgang zum Hof.

Mittelflurhäuser / Giebelflurhäuser sind immer giebelständig, der Hof mit Wirtschafts- und Nebengebäuden ist seitlich angelegt. Die Erschließung erfolgt über die Giebelseite und den Flur, zu dessen Seiten sich die Stuben, Kammern und später (nach Abschaffung der schwarzen Küche) auch Wohnküchen befanden. Im hinteren Gebäudeteil waren ursprünglich Ställe untergebracht, der Flur lief entweder durch den Stallteil hindurch oder knickte davor zur Hofseite ab, so dass die Küche über diesen Hinterausgang mit dem Hof verbunden war. Die traufseitigen oder rückseitigen Ausgänge zum Hof dienten der täglichen Nutzung, der giebelseitige und aufwendig gestaltete Haupteingang war der Sonntagseingang. Später wurde die Tierhaltung in separate Ställe ausgelagert; am Ende blieb ein reines ein- oder zweigeschossiges Wohngebäude übrig.

 

Märkische Mittelflurhäuser als Fachwerkbauten in Fredersdorf (ehemals Kreis Angermünde, Uckermark), errichtet wohl um 1800, dargestellter Zustand um 1938, links mit Oberstock und verbrettertem Giebeldreieck, beide mit Rauchschlot über der (ehemals schwarzen) Küche, daneben jeweils zweistöckige traufständige Torhäuser; historische Aufmaßzeichnungen erstellt 1936-1940, entnommen aus: Bauernhofaufmaße Brandenburg, herausgegeben vom Landesamt für Baupflege im Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Leitung Karl Brunne, Münster 1964
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Da bei den noch vorhandenen, aus Wohnstallhäusern hervorgegangenen Mittelflurhäusern in vielen Fällen der ehemalige Stallteil nicht umgenutzt, sondern abgebrochen wurde (die tierischen Ausscheidungen hatten meist das Fachwerk zerstört), erscheinen diese Gebäude relativ kompakt, teilweise mit quadratischem Grundriss. Dieser Umstand verfälscht ihre ursprüngliche Dimension. Bei reinen Wohnbauten des 19.Jahrhunderts sind wieder rechteckige Grundrisse zu finden.

Wie alle Bauernhäuser waren auch Mittelflurhäuser ursprünglich Fachwerkbauten, sie durchliefen die übliche Entwicklung, wurden umgebaut, verbrauchte Außenwände wurden über längere Zeiträume hinweg Stück für Stück nach Bedarf durch massive Wände ersetzt, die Giebelseiten erhielten dabei Stuckfassaden im jeweiligen Zeitgeschmack meist in bescheidener Ausführung. Später wurden dann teilweise noch die Haupteingänge zur Traufseite verlegt und der ursprüngliche Hauseingang zum Fenster umgebaut. Die letzten massiven Mittelflurhäuser entstanden in Brandenburg überwiegend durch Umbau noch bis etwa 1905, z.B. im nordwestlichen Umland von Berlin. Insgesamt waren diese späten Massivbauten meist die ärmeren Häuser im Dorf; wer es sich leisten konnte hat abgebrochen und neu gebaut, und zwar ein zeitgemäßes Querflurhaus mit Putz-Stuck-Prunkfassade.

   

Märkische Mittelflurhäuser / Brandenburgische Giebelflurhäuser und ihre Entwicklung im späten 19.Jahrhundert vom Fachwerkbau zum Massivbau durch Ersatz der Fachwerkwände und Herstellung einer schlichten Putz-Stuck-Fassade, rechts eine Variante mit Krüppelwalmdach; der Rauchschlot über der ehemaligen schwarzen Küche ist bei den dargestellten Gebäuden bereits abgebrochen (oder deaktiviert) und durch Einzelschornsteine ersetzt; Zeichnungen von Dipl.-Architekt Norbert Rauscher aus der Planungsarbeit, erstellt 1996, Maßstab im Original jeweils 1:100
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Die Entwicklung hat noch zwei Sonderformen hervorgebracht: das Giebellaubenhaus und das Giebelspeicherhaus, nach seinem Verbreitungsgebiet im Fläming auch als "Nuthe-Nieplitz-Haus" bezeichnet. Beide Typen sind Mittelflurhäuser, jedoch ergänzt um eine durchfahrbare Laube über die gesamte Breite der Erdgeschosszone des Giebels bzw. um einen kleinen seitlichen Vorbau ebenfalls auf der Giebelseite. Dieser Vorbau wurde anfangs als Speicher genutzt (daher regional als "Spiekerhaus" bezeichnet), später erfolgte meist ein Umnutzung zu Wohnraum. Das Giebelspeicherhaus ist nur noch in einem letzten Exemplar mit Speicher in Kemnitz (bei Treuenbrietzen) erhalten; sonst existieren in der Region noch einige als Mittelflurhäuser erkennbare Bauten (meist zweigeschossig), bei denen Anwohner oder Bilder in der Ortschronik über einen ehemals vorhandenen Speicher berichten. Giebellaubenhäuser dagegen gibt es noch einige im nordöstlichen Brandenburg, besonders in der Oderregion (z.B. in Lüdersdorf und Kunersdorf). Weitere Informationen und Beispiele zum Thema Giebelflurhaus finden Sie im Teil 4 zu dieser Webseite, siehe direkt hier: .

   

• Links: Märkisches Mittelflurhaus, ursprünglich ein Fachwerkbau um 1800, jetzt mit einer um 1890 massiv umgebauten Fassade aus Ziegelsichtmauerwerk, die Fassadenausstattung ist aus dieser Zeit erhalten (Kerkow, Uckermark)
• Mitte: Giebelspeicherhaus, Mittelflurhaus um 1780 mit Speichervorbau (jetzt Wohnraum), letztes erhaltenes Nuthe-Nieplitz-Haus, Erdgeschoss verändert, inzwischen saniert / rekonstruiert, siehe Stockphoto-Galerie 1a (Kemnitz, Teltow-Fläming)
• Rechts: Giebellaubenhaus, Mittelflurhaus mit Giebellaube, Fachwerk, Giebel verbrettert, um 1701, rekonstruiert 1991-1997 (Pillgram, Oder-Spree)
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Mitteldeutsche Ernhäuser, die heute nur noch als Querflurhäuser erhalten sind, stehen mit der Traufe zur Straße, werden von dieser Seite erschlossen und besitzen einen quer zur Hofseite durchlaufenden Flur. Am Anfang war auch das quergegliederte Haus ein Wohnstallhaus, bei dem der Flur mit schwarzer Küche den Wohnteil vom Stallteil trennte, etwa ab 1780 jedoch aus praktischen und hygienischen Gründen zunehmend ein reines Wohnhaus. Schon früh gab es Varianten ohne Stallteil mit beidseits des Flurs liegenden Wohnräumen (Doppelstubenhaus) oder Doppelhäuser mit zweifach vorhandenem Flur-Küchen-Trakt in der Mitte und jeweils außen anliegenden Wohnräumen. Diese Gebäude sind von außen durch ihre beiden benachbarten Hauseingänge zu erkennen; eine Verbindung bestand ursprünglich nur durch den gemeinsamen Schlot über den schwarzen Küchen. Unter einfachsten Verhältnissen wurden diese Haushälften teilweise auch separat errichtet und dann "halbe Häuser" genannt.

Der Begriff "Ernhaus" wurde 1943 durch den Hausforscher Josef Schepers (1908-1989) in die Literatur eingeführt. Er bezieht sich auf den ursprünglich quer (in der Mitte) über die volle Gebäudebreite gelegenen Durchgangsraum (Ern), in dem sich der Herd als offene Feuerstelle befand. Dieser Raum war nach oben auf ganzer Fläche offen, der Rauch zog über den Dachboden durch die Rohrdeckung ab, bei ungünstiger Witterung mussten die Türen geöffnet werden. Von hier aus wurden sowohl Wohn- und Stallteil erschlossen als auch die offenen Dachböden über beiden Teilen. Später wurde der Ern so aufgeteilt, dass ein mittig gelegener fensterloser Herdraum zwischen einem Vorder- und einem Hinterflur entstand. Die Flure konnten damit nach oben durch die Geschossdecke geschlossen werden. Der Herdraum blieb weiterhin nach oben offen, jedoch zog der Rauch jetzt über einen auf den Herdraum aufgesetzten und sich nach oben verjüngenden Rauchabzug (Schlot, Rauchschlot) ab, welcher bis über die Dachhaut geführt wurde. Erst seit dieser Zeit waren die Dachböden rauchfrei und standen als vollwertiger Lagerraum zur Verfügung.

Da innerhalb des Herdraums weiterhin mit offenem Feuer gearbeitet wurde, waren die Wände durch Rußbildung schwarz, daher die Bezeichnung "schwarze Küche". Die Rußschicht war aus Brandschutzgründen vorteilhaft, weil der Schlot ursprünglich wie das ganze Haus eine Fachwerk-Lehmstaken-Konstruktion war und Ruß zusätzlich zum Lehmverstrich einen Schutz gegen Funkenflug darstellt. Die Holzschlote wurden durch Feuerverordnungen verboten und die schwarzen Küchen samt Schlot als erster Gebäudeteil massiv ausgeführt; von diesem Raum aus wurden auch die Stubenöfen beheizt ("Hinterlader").



Querflurhaus als Fachwerkbau mit Drempel und Krüppelwalmdach in Altwustrow (Märkisch-Oderland), errichtet nach 1812, dargestellter Zustand um 1938; historische Aufmaßzeichnung erstellt 1936-1940, entnommen aus: Bauernhofaufmaße Brandenburg, herausgegeben vom Landesamt für Baupflege im Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Leitung Karl Brunne, Münster 1964, die Ortsbezeichnung wird dort in der eingedeutschten Schreibweise mit "Alt-Wustrau" angegeben; weitere Zeichnungen zu diesem Gebäude siehe bei Erich Kulke: Die Laube als ostgermanisches Baumerkmal, München 1939, S.128-131
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Spätestens mit Verdrängung des Fachwerkbaus durch den Massivbau und Einsatz von Schornsteinen konnte die Küche in einen separaten Raum verlagert werden, entweder neben oder hinter den Flur. Im ersten Fall wurde der Flur zum reinen Durchgangsflur, siehe Abbildung oben. Im anderen Fall wurde die Küche hinter den Flur zur Traufseite des Gebäudes verlegt, der Hinterflur konnte entfallen und die Küche hatte einen direkten Hinterausgang. In beiden Fällen hatte die Küche erstmals ein Fenster. Bei Umbauten wurde über der ehemaligen schwarzen Küche aus Brandschutzgründen meist eine massive Decke eingezogen (preußische Kappen), weil von diesem Raum aus weiterhin die Stubenöfen beheizt wurden. Der Rauchschlot im Dachboden blieb in seltenen Fällen funktionslos erhalten oder wurde als Räucherkammer genutzt. Weil spätestens seit dieser Zeit im ursprünglichen Wortsinn kein Ern als offener Dielen- und Herdraum mehr vorhanden ist, kann auch nicht mehr von Ernhäusern gesprochen werden, sondern nur noch von Querflurhäusern (soweit ein solcher existiert) bzw. von quer geteilten oder quer erschlossenen / quer aufgeschlossenen Häusern. Der Begriff "Querflurhaus" wird bei entsprechenden Hausgrundrissen schon lange verwendet auch in anderen deutschen Regionen (z.B. vom Bayerischen Landesverein für Heimatpflege), Heinz Ellenberg benutzte ihn 1990 in "Bauernhaus und Landschaft in ökologischer und historischer Sicht".

   

• Links: Quer erschlossenes Wohnhaus als Massivbau, mitteldeutscher Haustyp in der Tradition der preußischen Landbauschule, Pfarrhaus von 1828 (Rottstock, Potsdam-Mittelmark). Bauten dieser Art galten als Vorbild für den Heimatstil / Heimatschutzstil und wurden als Musterbauten für das ländliche Bauschaffen der Mark Brandenburg propagiert.
• Mitte: Quer erschlossenes Wohnhaus als Fachwerkbau, vmtl. mit ehemals schwarzer Küche (ergibt sich aus der Lage des Schornsteins), Kolonistenhaus um 1800 (Neubarnim, Märkisch-Oderland)
• Rechts: Quer erschlossenes Wohnhaus der Gründerzeit, Massivbau mit Stuckfassade, zweigeschossig, Eingangsbereich mit Risalit, neue Biber-Kronendeckung, perfekt saniert, um 1880 (Lühsdorf, Potsdam-Mittelmark)
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In der folgenden, anfangs noch spätklassizistisch geprägten Gründerzeit etwa ab 1860, hauptsächlich jedoch nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871, entstanden in Fortsetzung dieser Entwicklung die überall in Brandenburg bekannten Bauten mit mehr oder weniger prächtigen Schaufassaden in Putz-Stuck-Ausführung (Historismus). Die Gebäude wurden jetzt immer voll unterkellert, was eine allgemeine Anhebung der Sockelzone zur Folge hatte und auch dem repräsentativen Bedürfnis des neuen ländlichen Wohlstandes entsprach. Gleichzeitig erfolgte ein massenhafter Abriss alter, inzwischen verbrauchter Fachwerkhäuser und Ersatz durch Massivbauten im Zeitgeschmack. Noch standfähige Fachwerkbauten wurden auch verputzt und mit vorgesetzten Stuckfassaden versehen als Imitation massiver Bauweise.

Diese Bauphase und damit auch der fast ausnahmslos errichtete Haustyp des quer erschlossenen Wohngebäudes mit all seinen Gestaltungsvarianten fand im ersten Jahrzehnt des 20.Jahrhunderts, spätestens jedoch mit Beginn des ersten Weltkrieges seinen Abschluss. Eine der besonders bei Drei- und Vierseithöfen vorkommenden Varianten besteht z.B. aus einem quer erschlossenen Wohnhaus in Traufstellung zur Straße mit integriertem Torhaus (Tordurchfahrt zum Hof), dessen Dachraum als Speicher diente. Wenn sich an dieses Torhaus noch ein Altenteil anschließt (alles unter einem Dach), nennt man es regional auch "Langhaus". Hausgeschichtlich ist dieser Begriff jedoch nicht korrekt, weil Langhäuser sämtliche Funktionen enthielten, also auch Stall und Scheune. Alle Varianten sind sowohl ein- als auch zweigeschossig möglich. Weitere Informationen und Beispiele von quer erschlossenen Wohngebäuden in allen Bauformen finden Sie im Teil 4 zu dieser Webseite, siehe direkt hier: .

 
 


Quer / traufseitig erschlossene brandenburgische Bauernhäuser aus der Zeit etwa zwischen 1860 und 1900 (Gründerzeit, Historismus) in verschiedenen Varianten ohne und mit Drempel, alle voll unterkellert, mit repräsentativen Putz-Stuck-Fassaden, Außentreppe und Satteldach. Die dargestellten Dachrinnen und Fallrohre wurden häufig erst nachträglich angebracht, im ländlichen Raum waren besonders die einfachen Wohngebäude noch bis nach 1900 nur selten mit Dachrinnen ausgestattet, sie hatten noch eine echte Traufe. Zeichnungen von Dipl.-Architekt Norbert Rauscher aus verschiedenen Planungsarbeiten, erstellt zwischen 1996 und 2000, Maßstab im Original jeweils 1:100
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Die Zeit nach dem ersten Weltkrieg hat kaum prägnante Bauformen im ländlichen Raum hervorgebracht. Die vorhandene bäuerliche Substanz wurde weiter gebraucht und den jeweiligen Bedürfnissen angepasst. Neu hinzugekommen sind lediglich diverse Formen von Wohngebäuden, die aus dem städtischen Bereich in den ländlichen Raum übertragen wurden, so etwa Häuser für Kleinsiedler, Angestellte und Arbeiter sowie diverse villenähnliche Gebäudeformen.

Ein nicht auf den ländlichen Bereich beschränkter Komplex ist die allgemein als Heimatstil oder Heimatschutzstil bezeichnete Architekturströmung, welche in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg zunehmend Wirkung entfaltete, besonders im Siedlungs- und Einfamilienhausbau. Architektonisches Programm der Bewegung war die Rückkehr zu einer schlichten, regionalgebundenen Bauweise und zu bodenständigen Materialien. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde der Heimatstil ideologisch massiv vereinnahmt und in Form von Musterzeichnungen und Beispielbauten publiziert. Für den brandenburgischen Raum wurden z.B. Bezüge zur Schule der friderizianischen Landbaumeister hergestellt. Einzelne Protagonisten der Heimatschutzbewegung, wie etwa der einflussreiche Architekt Paul Schultze-Naumburg (1869-1949, Mitgründer des "Deutscher Bund Heimatschutz" 1904) entwickelten sich auch aus eigenem Antrieb in Richtung Nationalsozialismus und wurden zu politisch aktiven NSDAP-Mitgliedern. Formal wirkte der Heimatstil noch bis in die 1950er Jahre nach. Die Bautätigkeit nach dem Krieg wurde im privaten Bereich stilistisch dort wieder aufgenommen, wo sie ab etwa 1940 zum Stillstand kam.

Diese formale Ähnlichkeit ist ganz besonders deutlich bei den Bauten der Bodenreform festzustellen. Es fällt auf, dass formal-architektonisch zumindest zwischen den bescheidenen ländlichen Bauten der Vor- und Nachkriegszeit kaum Unterschiede zu erkennen sind. Im Wesentlichen wurden nach 1945 als Bodenreformhäuser zwei Haustypen errichtet: Neubauernhäuser als Wohnstallhäuser und reine Wohngebäude für Landarbeiter. Beide Varianten waren äußerst bescheiden und wurden häufig aus Abbruchmaterial des großbäuerlichen enteigneten Baubestandes oder aus in Handarbeit hergestellten Betonsteinen errichtet; auch mit Lehmbau wurde experimentiert. Fast alle Bauten waren ursprünglich unverputzt.

Die Gebäude der kurzen Bodenreformzeit etwa zwischen 1946 - 1955 sind historisch interessante Sonderformen und als solche auch schutzwürdig; allerdings ist zu vermerken, dass kaum eines dieser Gebäude unverändert erhalten ist.

   

• Links: Quer geteiltes Wohnhaus der Gründerzeit, Massivbau mit Stuckfassade, übergiebelter Mittelrisalit, Drempel mit kleinen Drempelfenstern, bis auf Dachdeckung offenbar vollständiger Originalzustand, um 1900 (Staffelde, Oberhavel)
• Mitte: Wohnhaus im Landhausstil mit Mansard-Walmdach und geschweiftem Zwerchgiebel, traufseitig / quer erschlossen, vollständig in zeittypischer Ausstattung, um 1910-1920 (Sputendorf, Potsdam-Mittelmark)
• Rechts: Wohnhaus im Heimatstil, Rundbogen-Tür mit Klappläden, ursprüngliche Hohlpfannendeckung, um 1940; der Scherengitterzaun passt jedoch besser in den Außenbereich (Neu Fahrland, Potsdam-Mittelmark)
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Bäuerliche Wirtschaftsgebäude

Besonders die ehemaligen Bauerndörfer sind noch heute durch große und eindrucksvolle Wirtschaftsgebäude geprägt. In Dörfern mit weniger Vollbauernhöfen ist diese Wirkung nicht ganz so vordergründig, aber immer noch erkennbar. Bei Gutsdörfern dominiert der Baubestand des Gutes, die Wirtschaftsgebäude der kleinen Häusler-, Kossäten- und Tagelöhnerstellen treten in den Hintergrund. Auch dies ist jedoch ein erhaltenswertes Kriterium des Dorfbildes, weil es den historischen Status des Dorfes dokumentiert.

Ursprünglich waren die Nebengebäude wie auch die Wohnhäuser Fachwerkbauten. Der weitaus größte Teil des heutigen Bestandes an Nebengebäuden stammt jedoch aus der zweiten Hälfte des 19. sowie dem Beginn des 20.Jahrhunderts, also aus einer Zeit, in der massiv gebaut wurde. Ganz besonders verbreitet ist dabei in allen Regionen das unverputzte Ziegel-Sichtmauerwerk, an den vom öffentlichen Straßenraum aus sichtbaren Giebelseiten teilweise mit außergewöhnlich schönen Schmuckformen. Besonders die rechtwinklig mit der Giebelseite zur Straße stehenden Wirtschafts- und Stallgebäude fallen auf. Zu den regionalen Besonderheiten gehören Stallgebäude mit massiven Erdgeschossen in Ziegelmauerwerk und auf der Hofseite vorkragenden Fachwerk-Obergeschossen, die vorzugsweise im südlichen Brandenburg auch als Laubengang ausgebildet sind.

Auf der Feldseite ergibt sich aus der Reihung von Drei- und Vierseithöfen bei Straßen- und Angerdörfern zwangsläufig eine Reihung der Scheunen, die im traditionellen märkischen Dorf als Durchfahrtsscheunen immer parallel zur Straße stehen. Besonders die Dächer dieser Reihung ("Scheunenlinie") prägen die Außenansicht eines Dorfes entscheidend. Nur in wenigen Fällen sind die großen Scheunen in ursprünglicher Form als Lehmstaken-Fachwerkbauten erhalten (am meisten noch in der Prignitz), überwiegend handelt es sich um typische Massivbauten der Jahrhundertwende in Ziegel-Sichtmauerwerk. In der Niederlausitz existiert noch gelegentlich Bohlenfachwerk, im Barnim und in der Uckermark Ziegel-Feldstein-Mauerwerk auch in Zwickeltechnik. Es gibt auch Mischformen, z.B. Ziegelsichtmauerwerk im Erdgeschoss und ein Dachgeschoss aus Fachwerk mit Drempel (Kniestock-Dachgeschoss).

Bei einigen der kleinen Ackerbürgerstädte sind noch separate Scheunenviertel am Stadtrand erhalten, so z.B. in Friedland und in Kremmen. Bei diesen Städtchen, die nach ihrer Sozialstruktur eine Übergangsform zwischen Dorf und Stadt darstellten, war aus Platzgründen oder aus Brandschutzgründen das Lagern von Heu und Stroh im Stadtgebiet nicht möglich oder verboten. Die Scheunen der Ackerbau betreibenden Bürger wurden dann räumlich konzentriert außerhalb des Stadtgebietes errichtet.

   

• Links: Stallgebäude mit Sichtmauerwerk, Verzierungen aus Ziegeln und Naturstein, um 1890-1900 (Treppeln, Oder-Spree)
• Mitte: Bauernhaus mit angebautem Torhaus, das zweigeschossige Torhaus aus Ziegelsichtmauerwerk wurde genutzt als Torscheune und Altenteil, um 1860-1910 (Schönefeld, Teltow-Fläming)
• Rechts: Scheunenviertel am Stadtrand, Scheunen der Ackerbürger, der heutige massive Baubestand stammt aus dem Zeitraum etwa 1900-1930 (Friedland, Oder-Spree)
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Bis auf die niederdeutsch geprägte Region der Westprignitz und einige regionale Besonderheiten sind alle Scheunen in Brandenburg ein- oder zweitorige Querdielen-Durchfahrtsscheunen. Beidseits der Durchfahrt (Diele, Tenne) und im Dachboden befanden sich die Stapelräume. Zur guten Belüftung des Heubodens wurde häufig das Giebelfachwerk nicht mit Lehmstaken gefüllt sondern nur von außen verbrettert; bei Ziegelbauten wurden größere Flächenteile des Giebels durchbrochen gemauert.

Neben diesen wichtigsten und flächendeckend verbreiteten Nebengebäuden gab es regional noch diverse Sonderformen, so z.B. separate oder ins Haupthaus integrierte Torhäuser sowie Taubenhäuser, Backhäuser, kleinere Speicherbauten usw.

Insgesamt muss festgestellt werden, dass sich ein großer Teil der bäuerlichen Nebengebäude in kritischem Zustand befindet. Nur die noch genutzte Substanz wird gesichert. Das Ziel der Dorferneuerung muss der Erhalt und bei Bedarf die Hilfestellung zur Umnutzung sein. Es soll jedoch nicht verschwiegen werden, dass Umnutzungen gerade der großen Scheunen teilweise erhebliche planungsrechtliche, bauordnungsrechtliche, bautechnische und finanzielle Fragen aufwerfen.

   

• Links: Kleine Feldscheune, Bohlen-Fachwerk, Giebel verbrettert, um 1800 (Gruhno, Elbe-Elster)
• Mitte: Großer Stall-Speicherbau, Ziegel-Sichtmauerwerk mit Ladeluke am Giebel, massive Torpfeiler, Vierseithof um 1900 (Groß Schulzendorf, Teltow-Fläming)
• Rechts: Stall mit Heuboden, Ziegelfachwerk, vorkragendes Obergeschoss, um 1850 (Barenthin, Prignitz)
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Sonstige Bauten im dörflichen Rahmen

Neben dem bisher besprochenen Kernbestand der ländlichen Bausubstanz wurde ein Dorf noch durch eine Vielzahl von anderen baulichen Nutzungen geprägt. An herausragender Stelle sind zuerst Kirchen, Friedhöfe und Herrenhäuser zu nennen, auf die aber hier nicht weiter eingegangen werden soll, weil sie fast vollständig dem Denkmalschutz unterliegen und damit auch für das Dorfbild gesichert sind. Wichtig und im Rahmen der weiteren Überlegungen zur Dorfentwicklung zu untersuchen ist jedoch ihre räumliche Einbindung in das dörfliche Gesamtensemble, z.B. durch die Beachtung von Sichtachsen bei Baumpflanzungen, Freiflächengestaltungen, Respektierung der traditionellen Größenverhältnisse bei Neubauten im näheren Umfeld usw. Zur Kirche gehört meist auch ein Pfarrhaus, eventuell noch mit der ehemaligen Schulstube, zu den Herrenhäusern der Güter gehört der Bestand an teilweise gewaltigen Wirtschaftsgebäuden, die sich in den meisten Fällen nach langjähriger Nutzung durch LPG in schlechtem Bauzustand befinden.

Weiterhin existierten im Dorf und seinem Randbereich diverse Bauten für Handwerk, Gewerbe und Industrie. Zu nennen sind z.B. Dorfschmieden, alte Spritzenhäuser als Vorläufer der Feuerwehr, Mühlen für Wind und Wasser, wassergetriebene Sägemühlen usw. Auch Gasthöfe und Gastwirtschaften mit angebautem Saal, meist angesiedelt im Ortszentrum, fallen teilweise noch heute durch außergewöhnliche Gestaltung auf und sind (leider nur noch selten) der Treffpunkt des Dorfes. Sofern sich Gebäude dieser Art in ursprünglicher Form erhalten haben, sollten sie als historische Zeitzeugnisse bewahrt werden. Wenn dies als Baudenkmal nicht möglich ist, so doch eingebunden in ein zeitgemäßes Nutzungskonzept unter Wahrung ihres architektonischen Erscheinungsbildes.

   

• Links: Dorfschmiede auf dem Anger, Ziegel-Feldsteinbau mit Giebellaube, alte Biberschwanz-Kronendeckung, im Kern um 1720, die denkmalpflegerischen Untersuchungen waren zum Aufnahmezeitpunkt noch nicht abgeschlossen (Danewitz, Barnim)
• Mitte: Schul- und Bethaus von 1820 im Oderbruch, errichtet in der regionalen friderizianischen Tradition als Kirche ohne Turm, um gemäß den staatlichen Vorgaben Holz zu sparen (Alttrebbin, Märkisch-Oderland)
• Rechts: Kleine Dorfkirche auf dem Anger, ein Feldsteinbau um 1250, später umgebaut, dorfbildprägend für den gesamten zentralen Ortsbereich (Zeuden, Potsdam-Mittelmark)
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Natur und Landschaft als Kulturgut

Auch Teile von Natur- und Landschaft im Siedlungsgebiet und dessen Randbereich sind als Kulturgut zu betrachten, sie sind in Jahrhunderten der Nachbarschaft durch den Menschen geprägt und nach seinen Bedürfnissen geformt. Alles, was diesem Bereich zuzurechnen ist, besitzt im weitesten Sinne einen Informationsgehalt mit Bezug zur Dorfgeschichte. Als schutzwürdiges Kulturgut im hier besprochenen Zusammenhang werden daher die Elemente von Natur und Landschaft definiert, welche durch die Existenz des Menschen direkt oder indirekt geprägt und durch bewusstes oder unbewusstes Handeln gestaltet wurden. Damit sind vorerst auch die (aus heutiger Sicht) negativen Hinterlassenschaften mit eingeschlossen. Zum schutzwürdigen und erhaltenswerten Kulturgut werden sie hauptsächlich durch ihren ästhetischen Wert, der zwangsläufig einer ständigen Entwicklung der Wertvorstellungen unterworfen ist und sich daher weder vom Zeitgeschmack noch von wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnisprozessen trennen lässt.

Kulturhistorische Landschaftselemente können auch Bauwerke im Freiraum sein, z.B. Brücken, wasserbauliche Anlagen, Mauern oder sonstige Einfriedungen, Denkmäler, historische Meilensteine und vergleichbare Objekte. Soweit es sich um bauliche Anlagen im Sinne der Brandenburgischen Bauordnung (BbgBO) handelt, sollen sie hier nicht behandelt werden. Zu beachten ist weiterhin die gestalterische und raumbildende Wirkung von Straßen im Landschaftsraum.


Die dörfliche Gemarkung und ihre Nutzung

Die historischen Gemarkungen waren geprägt durch ein Geflecht von Wirtschafts- und Nutzungsbeziehungen zwischen Dorf und Außenbereich. Hieraus sind die ursprünglichen Wegebeziehungen entstanden (z.B. die Trift zum Upstall). Alle Wege dieser Art sollten ganz bewusst als Elemente der Landschaftsgestaltung mit historischem Bezug gepflegt werden, soweit sie nicht bereits den Flächenberäumungen der Vergangenheit zum Opfer gefallen sind. Zu diesen Opfern gehören auch die alten Feldraine.

Der Begriff "Rain" bezeichnet einen Streifen beidseits des Weges, der ursprünglich nicht zur privaten landwirtschaftlichen Nutzfläche (Hufe) gehörte, sondern Allgemeinbesitz (Allmende) war. Er diente der Vorhaltung von Windschutzpflanzungen gegen Bodenerosion sowie als Standort für Obstbäume, Schattenspender für die Mittagsruhe bei der Feldarbeit, Lagerplatz für Lesesteine usw. An den Wegrändern finden sich teilweise noch heute die alten Lesesteinhaufen (auf dem Acker ausgelesene und am Weg zur weiteren Verwendung gesammelte Feldsteine).

 

• Links: Dorfbild und Landschaft. Kleine Hofgruppe im schon niederdeutsch geprägten Landschaftsraum hinter dem Elbdeich zwischen Besandten und Unbesandten, von der Elbseite aus gesehen (Prignitz)
• Rechts: Dorfbild und Landschaft. Kirchturm, Scheunendächer und innerörtlicher Baumbestand prägen die Silhouette des Dorfes im märkischen Landschaftsraum (Rönnebeck, Oberhavel)
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Aus einigen Bereichen der Gemarkungen (z.B. ehemaligen Ton- oder Kiesgruben) haben sich inzwischen Biotope entwickelt und nur der Name in der Flurkarte erinnert noch an ihre ursprüngliche Funktion. Auch diese Namen sollten gepflegt und im Sprachgebrauch erhalten werden, z.B. durch Ortsbeschilderungen. Das Gleiche gilt für Sölle (kleine Rundteiche, Toteislöcher der Eiszeit), die sich noch heute in der Landschaft oder sogar innerhalb von Ortslagen finden. An Bächen und Kanälen stehen noch alte Kopfweiden, die ursprünglich reine Nutzgehölze waren und erst heute als kulturhistorisches Landschaftselement und Kleinlebensraum geschützt und gepflegt werden.

Veränderungen brachte der Verkehr zwischen den Ortschaften. Je nach Intensität sind aus den ursprünglichen Wegen inzwischen Land- und später Fernstraßen entstanden. Nur wenn der Bau von Fernstraßen im 20.Jahrhundert auf neuen Trassen erfolgte, haben die alten Landstraßen ihre überörtliche Funktion wieder verloren und sind dadurch in unbedeutender Funktion als Nebenstraßen in den Formen des 19.Jahrhunderts mit Pflasterbelag, eventuell Sommerweg und Alleebäumen erhalten geblieben. In sehr seltenen Fällen existieren noch die alten Meilensteine am Straßenrand, sie stehen unter Denkmalschutz. Eine solche Situation ist im Sinne der Dorferneuerung als Kulturgut im Landschaftsraum unbedingt zu erhalten, fachgerecht zu pflegen und möglichst in touristische Konzeptionen einzubinden. Dabei ist auch der historische Pflasterbelag ein wichtiges Zeitzeugnis. In den ehemaligen Ziegelregionen existieren teilweise noch heute Straßen mit Ziegelpflaster (!), teilweise inzwischen mit einer Asphaltdecke überzogen, darunter aber immerhin erhalten.

Für den Bau von Chausseen mit Alleebaumpflanzungen wurde 1814 durch die preußische Regierung eine detaillierte "Anweisung zur Anlegung, Unterhaltung und Instandsetzung der Kunststraßen" erlassen (siehe Literaturverzeichnis), 1824 und 1834 überarbeitet. Nach der letzten Fassung sollten die "zur Bezeichnung der Straße bestimmten Bäume" im Abstand von drei Ruten (ca. 11,30 m) und mit der Reihe gegenüber auf Lücke gesetzt werden. Als Baumarten wurden solche empfohlen, "deren Äste möglichst aufwärts in die Höhe gehen", um den Lichtraum über der Straße freizuhalten. "Wo es der Boden gestattet" konnten auch Obstbäume gepflanzt werden, deren Äste sollten dann "mehr nach der Länge als nach der Breite der Straße gezogen werden". Für diese Baumpflanzungen waren möglichst im Umfeld der Chausseehäuser Baumschulen anzulegen. In dieser Zeit liegen somit im Wesentlichen die Ursprünge der heutigen, in ganz Deutschland berühmten Brandenburger Alleen ‒ ein Kulturgut ersten Ranges.


Dorfanger, Dorfstraße und öffentliche Freiräume

Die innere Struktur eines Dorfes ist nach bestimmten Kriterien organisiert und gestaltet, die auch bestimmte Grün- und Freiraumstrukturen hervorgebracht haben. So befindet sich auf dem Anger häufig ein Dorfteich, der ehemals als Viehtränke und Feuerlöschteich diente; zwei von mehreren Gründen, warum der Anger gerade an dieser Stelle angelegt wurde. Die Kirche mit dem alten Friedhof befindet sich auf einem erhöhten Teil des Angers, fast immer umgeben von alten Baumbeständen. Im 19.Jahrhundert verloren die Angerbereiche im Zusammenhang mit der Separation ihre Funktion als Allmende und waren nun eine vorerst funktionslose, öffentliche (kommunale oder fiskalische) Freifläche, um deren "Verschönerung" man sich bald bemühte. Besonders nach 1871 wurden viele Angerbereiche und Dorfstraßen auf konzeptioneller Grundlage mit Bäumen (sehr häufig Eichen und Linden) bepflanzt und mit Kriegerdenkmalen oder sonstigen Gedenksteinen gestaltet; nach dem ersten Weltkrieg folgten weitere Gedenksteine. Die Pflanzungen aus jener Zeit haben inzwischen eindrucksvolle Dimensionen erreicht.

Ursprünglich waren jedoch Holz und damit Bäume immer zuerst Nutzholz. Auch die ersten Alleen des 18.Jahrhunderts dienten der Markierung und Abgrenzung von Straßen sowie der Obstgewinnung und nur nachrangig der Landschaftsgestaltung. 1779 wurde unter Friedrich II. ein "Publicandum wegen Anpflanzung der Pappeln und Weiden, ingleichen wegen Anlegung lebendiger Hecken" veröffentlicht (siehe Literaturverzeichnis). Anlass war der erbärmliche Zustand des öffentlichen Baumbestandes, besonders an Nutzbäumen, der sorglose Umgang damit sowie der daraus resultierende hohe Verbrauch an Bäumen aus den Forsten als Nutz- und Bauholz. Auf den Ängern, an Bächen und Landstraßen usw. wurde unerlaubt Holz geschlagen, bereits bestehende Vorschriften von 1755 und 1764 wurden nicht beachtet. Es sollte deshalb bei Androhung von Strafzahlungen ab sofort jährlich jeder Bauer sechs, jeder Halbbauer und Kossät drei und jeder Büdner eine Pappel oder Weide auf eigenen oder zugewiesenen Flächen pflanzen. Die Landräte und Dorfschulzen hatten für die Durchführung zu haften. Statt Holz für "tote Zäune" zu verarbeiten sollten "lebendige Hecken" gepflanzt werden.

Besondere Bäume im öffentlichen Bereich waren teilweise über Jahrhunderte ein Mittelpunkt des gesellschaftlichen Dorflebens (Tanz- und Gerichtslinden), sie befanden sich in dieser Funktion meist in der Nähe der Dorfschenke. Wenn historische Bezüge noch heute nachweisbar sind, sollten die Bäume dokumentiert, gekennzeichnet und besonders gepflegt werden.

   

• Links: Lindenallee in 6 Reihen in einem nach Brand 1840 an anderer Stelle neu aufgebauten Dorf. Straßendorf mit stark erweitertem Straßenraum in der Tradition friderizianischer Kolonien, inzwischen modernisiert (Groß Breese, Prignitz)
• Mitte: Neu gestalteter Dorfplatz mit Wendeschleife und Freiflächengestaltung. Saniertes Dorfgemeinschaftshaus (ehemals Dorfschule) im Heimatstil von 1925 (Waltersdorf, Dahme-Spreewald)
• Rechts: Dorfanger mit Dorfteich, alter Baumbestand am weitgehend naturbelassenen Teich, nur dezente grünordnerische Eingriffe (Sputendorf, Potsdam-Mittelmark)
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Insgesamt hat sich eine Freiraumgestaltung ergeben, deren Entwicklung man in der Ortschronik nachlesen kann und die als Zeitzeugnis bewahrt werden sollte, unabhängig von der Tatsache, dass der größte Teil bereits durch diverse Gesetze geschützt ist. Alte Bäume im öffentlichen Raum sind nicht nur als das heute mit kommunalem Pflegeaufwand verbundene "Großgrün" zu betrachten sondern auch als Zeitzeugen der märkischen Kulturgeschichte und als solche im Dorfbild genau so zu beachten wie die schutzwürdige historische Bausubstanz.


Parkanlagen und Friedhöfe

Die ersten unter rein ästhetischen Gesichtspunkten angelegten Ziergärten und Parks entstanden im Umfeld der Herrenhäuser. Ursprünglich waren auch diese Gärten zumindest teilweise Nutz- und Küchengärten, später reine Ziergärten und Parkanlagen; sie werden noch heute allgemein als Gutspark bezeichnet. Dort, wo Reste dieser Gartenanlagen um ehemalige Herrenhäuser noch vorhanden sind, sollten sie unbedingt in Dorfentwicklungskonzeptionen dokumentiert und bewertet werden um nach Wegen zu suchen, sie zu erhalten bzw. wieder herzustellen. Teilweise sind die Anlagen durch Sichtachsen (Alleen oder in Wälder eingeschnittene Schneisen) weit in die Landschaft eingebunden. Wenn diese Systeme noch heute erkennbar sind, sollten auch sie erhalten und wieder hergestellt werden. Bei den Untersuchungen sind die alten Flurkarten aus DDR-Beständen hilfreich, weil sich die landschaftsprägenden Systeme teilweise aus den alten Flurgrenzen rekonstruieren lassen.

Auf dem Anger steht die Dorfkirche. Das Kirchengrundstück (Kirchhof) diente ursprünglich immer als Friedhof. In der Regel waren Friedhöfe mit besonderen Bäumen bepflanzt und durch eine Mauer abgegrenzt. Die Mauern sind teilweise Denkmale ältester Feldstein- und Backsteinkunst und als solche unbedingt zu erhalten; im Übrigen besteht Denkmalschutz. In sehr seltenen Fällen existieren noch einzelne Maulbeerbäume, deren Anpflanzung den Pfarrern im 18.Jahrhundert im Zusammenhang mit der Seidenraupenzucht befohlen wurde. Beginnend im späten 18., meist aber erst im 19.Jahrhundert wurde der größte Teil dieser Friedhöfe innerhalb des Dorfes geschlossen und in die Randbereiche verlegt. 1811 wurden im Amtsblatt der Regierung Vorschläge und Empfehlungen veröffentlicht zur Gestaltung und Bepflanzung von Friedhöfen, Gliederung in vier gleich große, durch Wege und Baumpflanzungen getrennte Felder; ein Gestaltungsprinzip, dem bis zum 20.Jahrhundert noch gefolgt wurde und das heute vielfach unverändert existiert, dazu wurden geeignete Pflanzenarten für Sträucher und Bäume genannt (siehe Teil 5, Literaturverzeichnis: "Ueber die zweckmäßigste Anlegung und Verschönerung der Dorfkirchhöfe ..."). Die alten Kirchhöfe blieben als Gedenkstätten erhalten, teilweise sind hier noch sehr alte Wild- und Zierpflanzenarten zu finden neben einigen alten Grabmalen.

   

• Links: Dorfkirche mit Friedhof noch an der ursprünglichen Stelle im Kernbereich des Dorfes; Feldsteinkirche um 1250 mit Fachwerkturm von 1706, Friedhofsmauer / Kirchhofmauer aus Ziegelmauerwerk vmtl. um 1900 (Spaatz, Havelland)
• Mitte: Dorfkirche mit Friedhof noch an der ursprünglichen Stelle im Kernbereich des Dorfes; Feldsteinkirche um 1250 (Metzelthin, Ostprignitz-Ruppin)
• Rechts: Kirchhofmauer aus Naturstein (Wietstock, Teltow-Fläming)
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Private Bereiche

Die Lücken zwischen den Dächern eines Dorfes schließen üblicherweise große Bäume. Diese Bäume sind nicht von ungefähr ins Dorf geraten sondern als das Ergebnis einer langen und interessanten historischen Entwicklung. Wie alles, was für den Menschen erreichbar und durch ihn beeinflussbar war, wurden auch Bäume nach ihrem Nutzwert bemessen. Der Nutzen bestand in der Verwendung als Bau- und Brennholz (Stamm, Äste, Zweige), als Futter für Tiere und Einstreu für die Ställe (Eicheln, Blätter), als Heilmittel (Lindenblüten), Rohstoff für Chemikalien (Harz), Obstlieferant usw.

Durch Dekrete, Vorschriften und Lebenserfahrung wurden den Bäumen im unmittelbaren Umfeld der Höfe noch andere Funktionen zugewiesen, z.B. Brandschutz (Schutz vor Funkenflug und damit Verhinderung von Brandübertragung über Strohdächer), Blitzschutz (Funktion als Blitzableiter), Windschutz und zunehmend seit der friderizianischen Zeit auch gestalterische Funktionen. Vor einigen Häusern stehen noch heute symmetrisch auf den Eingang ausgerichtete Hausbäume, die teils auf eine uralte (heidnische) und noch lange gepflegte Tradition verweisen, teils aber auch in Erfüllung von königlichen Pflanzgeboten gesetzt wurden (Hochzeitsbäume); eine Pflicht, die sich später zum Brauch entwickelt hat.

Die heute noch erhaltenen alten Obstgärten hinter den Höfen, teilweise als Streuobstbestände bzw. Streuobstwiesen nach § 18 BbgNatSchG in Verbindung mit § 30 BNatSchG geschützt, haben ihren Ursprung nicht nur in der Deckung des Eigenbedarfs der Familien sondern auch in älteren Verordnungen, welche sich bis auf die Zeit des Großen Kurfürsten zurück verfolgen lassen. 1754 ordnete Friedrich II. an, dass jeder Landwirt bei der Hofübernahme 6 bis 8 Obstbäume zu setzen hatte. 1765 verschärfte er die bereits seit 1723 bestehende "Dorfs-Ordnung" und wiederholte die Vorschrift zum Anlegen eines Obstgartens zu jedem Gehöft und die jährliche Pflanzung von 10 bis 12 Obstbäumen. Die Forderung war sehr hoch angesetzt, weil ein großer Teil der Pflanzungen wegen mangelhafter Pflege schon bald wieder einging; weitere Forderungen betrafen allgemeine Baum- und Strauchpflanzungen, Sanierung der Landstraßen durch Einbau von Faschinen, usw. ("Edict, wie es in Zukunft wegen Anpflanzung der wilden Bäume und Obst-Stämme im Königreich Preussen gehalten werden soll.", siehe Literaturverzeichnis). Als Tradition wurden diese Gärten bis ins 20.Jahrhundert beibehalten. Nur selten existieren noch die alten Flächenabgrenzungen durch Hecken. Dort, wo Hecken erhalten sind, sollten sie nicht nur als Element der Landschaftsgestaltung Bestandsschutz genießen sondern auch als Lebensraum für heckenbrütende Vogelarten und verschiedene Insekten.

Eine weitere Tradition ist in den sogenannten Bauerngärten zu sehen, die in ihrer ursprünglichen Form als eine Mischung aus Nutz- und Ziergarten, gelegentlich durch niedrige Buchsbaumhecken gegliedert und gestaltet, nur noch sehr selten zu finden sind. Wo sie noch existieren, befinden sie sich neben oder hinter den Gebäuden und enthalten neben Obst-, Gemüse-, Gewürz- und Heilpflanzen auch Zierpflanzen, meist alles in bunter Mischung.

Die kleinen Vorgärten als Ziergärten vor den Bauernhäusern waren nicht in allen Regionen und nicht zu allen Zeiten üblich. Wie vielen historischen Flurkarten zu entnehmen ist, standen die Wohnhäuser offenbar ursprünglich in den meisten Regionen Brandenburgs direkt auf der Flurstücksgrenze zur Dorfstraße bzw. zum Anger. In konzeptionell angelegten und gebauten Dörfern (Kolonien) finden sich teilweise schon im 18.Jahrhundert durchgehend Vorgärten. Die meisten der heute vorhandenen Vorgärten sind jedoch im 19. Jahrhundert entstanden, als die alten Fachwerkhäuser den noch heute vorhandenen Massivbauten weichen mussten und mit zunehmendem Wohlstand eine allgemeine Bereitschaft zur "Verschönerung" in den Dörfern um sich griff. Nur die Wohnhäuser wurden dann um etwa 2 bis 4 m zurückgesetzt und der kleine Bereich vor dem Haus als reiner Ziergarten mit Blumen bepflanzt. Die Nebengebäude, auch die massiven Ersatzbauten, wurden weiterhin an der Grundstücksgrenze errichtet. Dieses Siedlungsbild prägt noch heute massenhaft die Dörfer Brandenburgs, es sollte als typische Erscheinung erhalten bleiben. Teilweise sind Vorgärten auch im Zusammenhang mit der Separation und der Umgestaltung der Angerbereiche entstanden. Die Anlieger waren dann bereit, einen Streifen vor ihrem Haus zu erwerben, als Ziergarten zu gestalten und einzufrieden.

Neben Bäumen hatten noch andere Pflanzen eine besondere Funktion, z.B. Dachwurz / Hauswurz (eigentlich: Dachwurzel). Diese sollte nach altem Volksglauben vor Blitz und Feuer schützen. Man pflanzte sie auf die rohr- oder strohgedeckten Firste der Häuser und später, als die Dächer massiv gedeckt wurden, auf die Köpfe der gemauerten Torpfeiler. Dort konnte sie nur überleben, weil sie eine äußerst anspruchslose Pflanze ist. Der Glaube an die Schutzkräfte dieser Pflanze stammt schon aus der römischen Antike. Die ursprüngliche Bedeutung im mitteleuropäischen Raum wird daher kommen, dass Dachwurz den strohgedeckten und witterungsempfindlichen First durchwurzelt, dabei stabilisiert und außerdem trocken hält, indem sie ihm jede Feuchtigkeit entzieht. Trockene Dachfirste wiederum ziehen weniger den Blitz an. Es existieren auch noch diverse andere Theorien.

   

• Links: Hausbäume in alter Tradition vor einem Bauernhaus. Das Dorf ist 1813 vollständig abgebrannt, 1815 wieder aufgebaut und der Baubestand weitgehend unverändert erhalten. Theoretisch könnten die Linden aus dieser Zeit stammen, vermutlich wurden sie aber schon einmal nachgepflanzt (Breetz, Prignitz)
• Mitte: Das alte Pfarrhaus versteckt sich hinter seiner grünen Hülle aus Efeu ... (Zehlendorf, Oberhavel)
• Rechts: Friedenseichen für die Siege von 1864 und 1871 neben einem Denkmal für Dietrich von Quitzow, der 1593 an dieser Stelle erschlagen wurde (Legde, Prignitz)
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Kleines Glossar zur brandenburgischen Dorfgeschichte

Ablösung:  Bestandteil der preußischen Agrarreformen nach 1815, bei dem unter anderem die mit der sozialen Stellung (Bauer, Kossät, Büdner) verbundenen Abgaben- und Leistungspflichten gegenüber dem Adel bzw. Grundbesitzer durch Zahlung eines Einmalbetrages abgelöst, also für immer abgekauft wurden. Wer Geld nicht aufbringen konnte oder wollte, hat teilweise Landbesitz gegeben. Erste Ablösungen begannen schon um 1760.

Anbauer:  Meist ortsfremder Zuzügler, dem von der Gemeinde ein Stück von der Allmende zugewiesen wurde zur Gründung einer eigenen Existenz. Da sich diese Flächen fast immer am Dorfrand befanden, baute er an das Dorf an und vergrößerte somit die Siedlungsfläche ohne das Hufenland zu verkleinern, er war ein Anbauer. Mit dieser Bezeichnung war nur die räumlichen Lage des Anwesens gemeint, nicht der soziale Status etwa im Sinne eines Kleinbauern. Später ist aus dieser Bezeichnung wohl auch der Familienname Anacker entstanden, ein Dorfbewohner ohne Acker (āne acker). In den Rezess-Urkunden zur Separation wurden die Anbauer in der Rangfolge nach Bauern, Kossäten, Büdnern und Häuslern meist als letzte Gruppe unter den Besitzenden aufgeführt, obwohl sie Büdner oder Häusler waren.

Ausbauer, Abbauer:  Entweder ein Dorfbewohner, der wegen Platzmangels (z.B. nachgeborener Sohn) aus dem Dorf ausgezogen ist (Aussiedler) oder ein ortsfremder Neusiedler, der außerhalb des Dorfes, aber noch innerhalb der Gemarkung mit anderen eine neue Hofgruppe gegründet hat, wohl meist auf erworbenem oder geerbtem Hufenland. Die Ortsnamen dieser kleinen Wohnplätze im Außenbereich wurden aus dem Dorfnamen mit dem Zusatz Ausbau oder Abbau gebildet (mit oder ohne Bindestrich), sie tauchen vielfach in Brandenburg auf, auch im Zusammenhang mit Bodenreformsiedlungen nach 1945 auf enteignetem Land der Gutsbesitzer. Die meisten dieser Ausbau- oder Abbauhöfe sind jedoch im Zusammenhang mit den Separationsverfahren im 19.Jahrhundert entstanden, siehe dazu im Literaturverzeichnis Kretzschmer 1828, ab Seite 236. Die Bewohner blieben schon dem Ortsnamen nach Angehörige ihres Dorfes.

Bauer:  Ursprünglich ein Hüfner, später ganz allgemein ein Landwirt, der eigenes Land (Ackernahrung) mit seiner Familie sowie eventuell Knechten und Mägden selbst bewirtschaftete und davon leben konnte. Seit dem Mittelalter waren die Bauern ein eigener Stand mit eigenem Recht, sehr ausführlich geregelt z.B. im preußischen Landrecht. Anfangs wurde zwischen Vollbauern (Vollhüfner) und Halbbauern (Halbhüfner) unterschieden. Um die Mitte des 19.Jahrhunderts entstand die Einteilung in Großbauern (20-100 ha), Mittelbauern (5-20 ha) und Kleinbauern (2-5 ha). Kleinbauern mit Zuerwerbsbedarf sanken zu Kossäten ab, Agrarbetriebe über 100 ha wurden als Gut bezeichnet. Die Besitzer dieser Großbauerngüter arbeiteten in der Regel nicht mehr selbst mit, im Gegensatz zu den ursprünglichen Bauern. Nach 1945 wurden diese "Großgrundbesitzer" in der Sowjetischen Besatzungszone im Rahmen des Bodenreformprogramms enteignet, das Land wurde parzelliert und zur landwirtschaftlichen Nutzung an Neubauern / Neusiedler übergeben.

Bauerngarten:  Ländlicher (dörflicher) hofgebundener und damit privater Nutzgarten, auch bezeichnet als Haus-, Küchen-, Kohl-, Blumen-, Obst- oder Feldgarten, je nach Lage und vorherrschender Nutzung. Der Begriff "Bauerngarten" ist kein historischer Rechtsbegriff, er geht wohl zurück auf Christian Friedrich Germershausen, der 1785 in seiner Publikation "Der Hausvater ..." (siehe Literaturverzeichnis) diese Bezeichnung verwendete, jedenfalls gibt es für Brandenburg bisher keine älteren Belege. Der insgesamt als Hausgarten verwendete Flächenanteil der Hofstelle befand sich für die tägliche Nutzung als Küchengarten meist unmittelbar neben dem Wohnhaus, für die weitere Nutzung als Kohl- und Obstgarten hinter dem Hofraum in den Wörden (siehe unten). Außerdem gab es Bauerngärten auch als Feldgärten außerhalb der Ortslage in der Gemarkung auf kleineren Restflächen mit guter Bodenqualität.

Büdner (Häusler, Kätner):  Besitzer eines kleinen Hauses (Bude, Kate) mit Garten zur Selbstversorgung. Büdner haben ihr Geld als Handwerker, Heimarbeiter, Tagelöhner oder sonstige Arbeiter verdient; sie stellten unter den Besitzenden im ländlichen Raum die unterste soziale Schicht dar. Nicht selten erlangten sie durch gutes Wirtschaften und Landkäufe mehr Besitz und bessere Lebensverhältnisse als Kossäten - der festgefügten dörflichen Hierarchie nach behielten sie jedoch ihren Status als Büdner. Häufig wurde in den brandenburgischen Dörfern auch noch zwischen Büdnern und Häuslern unterschieden, die Häusler standen dann unter den Büdnern. Dorfbewohner ohne Immobilienbesitz, die als Mieter bei den Bauern wohnten, wurden in der Mark Brandenburg Einlieger oder Häuslinge genannt, in der vormals sächsischen Niederlausitz waren es die Hausgenossen.

Dorfschmied:  Der Schmied war Büdner oder Kossät wie die meisten anderen ortsansässigen Dorfhandwerker auch. Ursprünglich betrieb er die im Gemeindebesitz befindliche und auf der Allmende errichtete Dorfschmiede im Lohnverhältnis. Die Dorfschmiede gehörte neben Dorfkirche, Friedhof, Hirtenhaus und Küsterhaus (beides Büdner im Angestelltenverhältnis) sowie Backhaus zur Grundausstattung des Dorfangers als Teil der Allmende, später kamen noch Dorfschule samt Lehrerwohnung sowie Spritzenhaus hinzu. Alle auf der Allmende errichteten Baulichkeiten gehörten ursprünglich der Gemeinde. Falls der Dorfanger einen gewissen Mindestabstand zwischen dem Schornstein der Schmiede und den stroh- oder reetgedeckten Gebäuden der Umgebung nicht hergab, wurde die Schmiede aus Brandschutzgründen am Ortsrand errichtet. Bei Straßendörfern war das fast immer der Fall. Durch kurmärkischen Amtsrezess wurde 1702 festgelegt, dass die Dorfschmieden zu veräußern sind, seitdem sind Dorfschmiede zumeist selbstständige Handwerker, sie blieben aber dem Stand nach Kossäten mit nebenbei betriebener kleiner Landwirtschaft. Das Schmiedegebäude am Wohnort des Schmieds wurde als Wohnschmiede oder Setzschmiede bezeichnet (der Schmied war ansässig), im Gegensatz zur Laufschmiede, die von einem auswärtigen Schmied bedient wurde. Eine Laufschmiede durfte nicht ohne landesherrliche Genehmigung in eine Wohnschmiede verwandelt werden (siehe dazu im Literaturverzeichnis Lamprecht 1797).

Dorfschule:  Die Dorfschulen waren seit ihrer Gründung und meist noch bis in die 1940er Jahre Einklassenschulen, weil alle Kinder des Dorfes in nur einem Unterrichtsraum (Klassenzimmer) unterrichtet wurden. Die achtjährige allgemeine Schulpflicht wurde in Preußen 1763 unter Friedrich II. eingeführt (Königlich-Preußisches General-Land-Schul-Reglement, siehe Literaturverzeichnis), der Unterricht erfolgte meist im Halbtagsbetrieb. Bei größeren Kinderzahlen wurden die Schüler aus organisatorischen Gründen auf zwei Klassen aufgeteilt, dabei bestand die Klasse II aus den Jahrgängen 1 bis 4 ("Die Kleinen") und die Klasse I aus den Jahrgängen 5 bis 8 ("Die Großen"). Damals erfolgte die Zählung der Klassen von oben nach unten. Beide Klassen saßen jedoch in einem Raum. Es wurden somit insgesamt acht Jahrgänge zusammen und gleichzeitig von nur einem Lehrer in einem Schulzimmer unterrichtet. Das konnten durchaus 130 und mehr Schüler sein, die auf den Bänken im Schulzimmer Platz finden mussten. Nach dem Reglement von 1763 durfte die Frau des Lehrers ihm "bey den Kleinen" helfen, wenn die Menge der Kinder dies erforderte. Häufig erst ab den 1920er Jahren wurden den Lehrern zur Entlastung Hilfslehrer zugewiesen. Im Schulgebäude befand sich auch die Lehrerwohnung, der Lehrer (der "Schulmeister") war fast immer auch Küster, der Pfarrer (der "Prediger") war sein örtlicher Vorgesetzter. Eine detaillierte Darstellung des ländlichen Schulwesens (Elementarschulen) findet man bei Ebmeyer 1861; siehe Literaturverzeichnis.

Herrenhaus:  Oberbegriff für die als Gutshaus, Rittergut oder auch Schloss bezeichneten Herrschaftssitze des Landadels, deren Inhaber mit besonderen Rechten und Privilegien ausgestattet waren, Sitz und Stimme im kurmärkischen Landtag hatten und einen landwirtschaftlichen Betrieb leiteten. Der Begriff bezeichnet die Funktion; architektonisch reicht die Spanne von ortsüblichen Bauernhausformen bis zu schlossartigen Prunkbauten. Mit dem späten 19.Jahrhundert entstanden diverse Güter ohne Herrenhausfunktion; der Name bezieht sich dann nur noch auf den Umfang des Flächenbesitzes (über 100 ha). Bekannt sind die nach 1870 zu "Bauerngütern" aufgestiegenen reichen Großbauern im Umfeld von Berlin oder die vielen Abspaltungen von alten Rittergütern, bei denen das Adelsprivileg beim Stammgut verblieb.

Hufe:  In der Gründungszeit der brandenburgischen Dörfer entsprach eine Hufe der Fläche, die eine bäuerliche Familie zur eigenen Ernährung benötigte und allein (incl. eigene Knechte und Mägde) bewirtschaften konnte. Je nach Bodengüte und landschaftlichen Verhältnissen ergaben sich daraus sehr unterschiedliche Größen. Im Brandenburger Raum wurden Größen zwischen 7 und 15 Hektar nachgewiesen, im Schnitt etwa 10 Hektar, also etwa 40 Morgen. Als reguläres Feldmaß war die Hufe daher im Geschäftsverkehr und als Besteuerungsgrundlage völlig ungeeignet. Mit der "Maaß- und Gewicht-Ordnung für die Preußischen Staaten" von 1816 wurde festgesetzt, dass ab 1820 in öffentlichen Verhandlungen nach Hufen nicht mehr gerechnet werden durfte; Agrarflächen wurden von da an nur noch in Morgen und Quadratruten angegeben. Besonders für die Erstellung der Separationskarten mit den darauf basierenden Wertberechnungen nach 1820 waren genaue Flächenangaben zwingend erforderlich. Weitere Informationen zur Preußischen Maßordnung von 1816 siehe hier: . Weitere Informationen zu den alten Maßen und Begriffen bei der Feldmessung in Brandenburg und der Niederlausitz siehe hier: .

Hüfner:  Bauer mit mindestens einer Hufe Land. In den meisten Regionen waren die Bauern ursprünglich mit zwei (Zweihüfner), gelegentlich bis zu vier Hufen (Vierhüfner) ausgestattet. Durch Teilung entstanden später kleinere Wirtschaften, die dann als Halb- oder Viertelhüfner bezeichnet wurden. Damit jeder Bauer gerecht an den unterschiedlichen Bodenqualitäten der Gemarkung beteiligt war, lag der Hufenbesitz eines Bauern nicht separat, sondern in schmalen Streifen im Gemenge mit den Anteilen der anderen Besitzer; die einzelnen Streifen ("Stücke") waren nicht durch Wege getrennt. Eine solche gemeinsame landwirtschaftliche Nutzungseinheit wurde als "Schlag" bezeichnet. Daraus ergab sich der "Flurzwang", der Acker konnte nur durch alle Besitzer gleichzeitig bearbeitet werden. Dem Hüfner (Vollbauer) standen besondere Anteils- bzw. Nutzungsrechte an der Allmende zu.

Insthaus:  Mehrfamilienhaus für besitzlose Landarbeiter eines Gutes. Instleute (Inste, Insassen) waren langfristig mit Vertrag auf einem Gut im Lohnverhältnis und teilweise auch im Gewinnbeteiligungsverhältnis angestellte Landarbeiter mit ihren Familien, gelegentlich auch mit eigenen Knechten. Insthäuser wurden durch das Gut unterhalten, mit gemeinsamen Küchen für bis zu vier Wohnungen und gelegentlich kleinen Gärten ausgestattet und teilweise auch als Reihenhäuser errichtet. Nach ihrem Grundriss waren es in Brandenburg immer Querflurhäuser.

Kate (Katen):  Kleines, ärmliches Wohnhaus als Einzel- oder Doppelhaus. Das Wort stammt aus dem norddeutschen Sprachraum, leitet sich ab von "kot", "kote", "köte" oder "kotte" und bedeutet Hütte, Schuppen und/oder Stall. In der Kate wohnten Kätner, Büdner, Häusler oder Kossäten.

Kossät:  Ableitung von Kate (kote), "Kotsasse", "Katensitzer", "Kötter". Ursprünglich nur mit Haus, Garten und etwas hofnahem Acker ausgestattete soziale Schicht. Die hinter Hof und Gartenland liegenden kleinen Ackerstücke wurden auch als "Wörden" bezeichnet (siehe unten). Die Kossäten vergrößerten später durch Erwerb von Hufenanteilen ihre Wirtschaft, waren aber keine vollwertigen Bauern, weil sie sich allein von ihrer bäuerlichen Wirtschaft nicht ernähren konnten und zusätzlich als Handwerker, Gärtner, Fischer usw. betätigen mussten. Der Kossätenstand ist sehr alt (nachweisbar seit 1375, Landbuch Kaiser Karls IV.), sein Ursprung bisher aber nicht abschließend erforscht.

Lokator:  Der im Mittelalter durch Adel oder Klerus mit der Gründung (Kolonisation) eines Dorfes beauftrage Führer einer Kolonistengruppe. Er war mit besonderen Rechten und Privilegien ausgestattet, erhielt allgemein den doppelten Anteil am Hufenbesitz und übte das Schulzenamt aus. Aus den Lokatoren entwickelte sich teilweise in den späteren Jahrhunderten der niedere Adel.

Morgen:  Historisches Flächenmaß für Agrarflächen von regional unterschiedlicher Größe; ein "Preußischer Morgen" entsprach etwa einer Fläche von 0,25 Hektar = 25 Ar = 2.500 m² (genau: 1 Preußischer Morgen = 180 Quadratruten = 2.553 m²).

Nahrung, Ackernahrung, Bauer-Nahrung:  Ein seit der Zeit um 1300 nachweisbarer Rechtsbegriff, mindestens seit dem alten preußischen Landrecht von 1721 die Bezeichnung für ein Ackergut, eine Landwirtschaft, die den Inhaber als selbstständigen Landwirt ernährt, die Lebensgrundlage und Erwerbsquelle für einen Bauern und seine Familie, sein "Haab, Gut und Nahrung". Nach der Fläche kann eine Nahrung kleiner sein als eine Hufe. Eine städtische Nahrung konnte z.B. eine Gastwirtschaft, Brauerei oder Apotheke sein. Nahrung ist auch der Lebensunterhalt, den der Bauer seinen Eltern im Altenteil schuldet, also nicht nur Ernährung sondern auch Wohnung, Feuerung, Pflege, usw. Nach dem Reglement zur Cantonspflicht von 1792 war ein Bauer, der als Inhaber einer Ackernahrung diese allein bewirtschaftet, in Friedenszeiten vom Militärdienst befreit. Von da an findet man den Begriff Ackernahrung regelmäßig in den Rechtstexten bis hin zum Reichserbhofgesetz 1933.

Schnitterkaserne:  Durch ein Gut unterhaltene Herberge als Massenunterkunft für (in Brandenburg meist polnische) Wander- oder Saisonarbeiter ohne Familien. Die meisten Arbeiter wurden zur Getreideernte und Heuernte als Schnitter / Mäher benötigt, daher die Bezeichnung für das Gebäude.

Separation:  Bestandteil der preußischen Agrarreformen nach 1815, auch als "Gemeinheitsteilung" bezeichnet. Aufteilung der bisher gemeinsam genutzten Teile der Gemarkung (Allmende) und Umwandlung in Privatbesitz, in deren Folge viele Büdnerstellen entstanden. Mit diesem Vorgang verbunden war meist die nach Eigentümern sortierte Zusammenlegung ("Verkoppelung") der bisher verstreut im Gemenge ("Gemengelage") mit anderen Eigentümern liegenden Hufenanteile durch Flurneuordnung mit Wertausgleich. Weitere Informationen zu den Themen Separation und Entstehung der dazu erforderlichen Separationskarten finden Sie hier:

Status- und Berufsbezeichnungen:  Die historischen Statusbezeichnungen Dorfschulze, Bauer, Halbbauer, Anbauer, Kossät, Büdner, Häusler, Altsitzer, Auszügler usw. wurden neben den Berufsbezeichnungen wie Schmied, Lehrer oder Kaufmann noch bis in die 1930er Jahre ganz offiziell in behördlichen Publikationen verwendet, so z.B. in den Verzeichnissen der Schöffen, Schiedsmänner, Waisenräte usw. im Lübbener Kreiskalender von 1935 (siehe Literaturverzeichnis).

Wörde (meist in der Mehrzahl gebraucht: Die Wörden):  Hausnahes bzw. hofnahes und hofgebundenes Gartenland / Weideland / kleine Ackerstücke im direkten Anschluss an den Hofraum, im Gegensatz zum Hufenland meist eingezäunt / eingefriedet. Die Wörden dienten nur den Bedürfnissen der jeweiligen Familie, waren kein Bestandteil des Hufenlandes und unterlagen damit nicht dem Flurzwang. Regional existierten unterschiedliche Bezeichnungen und Schreibweisen, z.B. Woerden, Wöhrden, Wörthen, Worden, Wohrten, Worthen, Wurthen, auch in Verbindung mit Nutzungsart und Eigentümer, z.B. Wurthwiese, Wörthweide, Küsterwörde. Nicht abschließend geklärt ist bisher, ob zumindest regional mit Wörde der gesamte außerhalb des Hufenlandes liegende private Flächenanteil einer Familie in der Ortslage gemeint war, also der an der Straße liegende Hofraum / Hofreite (= Bauland) zuzüglich rückwärtiges Gartenland, oder nur die privaten Gärten und Wiesen hinter den Hofräumen. Nach den deutschen Rechts- und Sprachwörterbüchern ist Letzteres zutreffend. Zu beachten ist außerdem die Mehrdeutigkeit dieser Wortgruppe: Taucht eine der Bezeichnungen als Flurname nicht in Ortsrandlage sondern in freier Landschaft auf, kann es sich auch um eine trockene Erhebung in sumpfiger Umgebung handeln oder um eine aufgelassene ehemalige Hof- oder Siedlungsstelle (Wüstung).
 


 
 
Hier geht es weiter zu den vier anderen Themenseiten zur Dorfentwicklung im Land Brandenburg sowie zu einer Seite mit interessanten Informationen von Erwin Seemel zur sozialen Zusammensetzung der ländlichen Bevölkerung im Amt Lübben um 1720, also noch zu sächsischer Zeit. Danach eine externe Website, die sich neben der Siedlungs- und Baugeschichte auch den Menschen in einem kleinen Dorf im Unterspreewald widmet:
Teil 2 ‒ Gebäude und Baugestaltung, Natur und Landschaft
Teil 3 ‒ Erhaltung und Gestaltung des Ortsbildes im ländlichen Raum
Teil 4 ‒ Bauernhausarchitektur in Stichworten und Bildern
Teil 5 ‒ Literaturverzeichnis zu den Teilen 1 bis 4
Bauern, Kossäten, Büdner ‒ Soziale Verhältnisse in den Dörfern des Amtes Lübben (Niederlausitz) um 1720
Kuschkow-Historie ‒ Bilddokumente und Informationen zu einer Dorf- und Familiengeschichte in der Niederlausitz

Wenn Sie sich für den Inhalt der Broschüre Dorfentwicklung in Brandenburg (siehe unten) interessieren, dann finden Sie auf den Webseiten Teil 1 und Teil 2 weitere Informationen. Die Wiedergabe der Texte auf diesen Seiten erfolgt mit diversen Ergänzungen, Korrekturen und Aktualisierungen sowie mit zusätzlichen Fotos und Zeichnungen. Die Präsentationsblätter eines Vortrages zum Thema "Erhaltung und Gestaltung des Ortsbildes im ländlichen Raum" sehen Sie im Teil 3. Der Teil 4 bietet einen Überblick über die ländliche Architekturentwicklung in Brandenburg und ihre zeitgeschichtliche Einordnung, besonders zu diesem Teil ist das Literaturverzeichnis eine Ergänzung.
 
 

  

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Dorfentwicklung in Brandenburg

Herausgeber:  Ministerium für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung (MLUR) des Landes Brandenburg, Referat Presse/Öffentlichkeitsarbeit, Heinrich-Mann-Allee 103, 14473 Potsdam,
Tel.: (0331) 866-7494/-7017, www.brandenburg.de/land/mlur,
in Verbindung mit Märkische Akademie ländlicher Raum e.V., Sitz: Heimvolkshochschule am Seddiner See, Seeweg 2, 14554 Seddiner See, Tel.: (033205) 46516, www.hvhs-seddinersee.de

Konzeption / Gestaltung:  Dipl.-Architekt Norbert Rauscher, Kieler Str.16, 16548 Glienicke/Nordbahn,
Tel.: (033056) 80010, n.rauscher@web.de, www.rauscher-architekt.de, www.fotografie-architektur.de
Inhaltliche Bearbeitung Teil 1: Märkische Akademie ländlicher Raum e.V.
Inhaltliche Bearbeitung Teile 2 bis 6: Dipl.-Architekt Norbert Rauscher

Druck:  Druckerei der Nordbahn gGmbH, Werkstatt für Behinderte Schönfließ, Glienicker Chaussee 6,
16567 Schönfließ, Tel.: (033056) 83832, Unterstützt durch die Europäische Union und die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes"

Potsdam / Seddiner See 2002

Download:  Wenn Sie die Broschüre komplett als PDF auf Ihren Rechner herunterladen wollen, dann klicken Sie oben auf die Abbildung des Titelblatts der Broschüre; die Dateigröße beträgt ca. 1,5 MB. Allerdings ist die Bildqualität nur mäßig. Falls Sie eine Originalbroschüre im A4-Format erwerben möchten, richten Sie Ihre Anfrage bitte an Norbert Rauscher (siehe Kontaktdaten oben), einige Exemplare sind noch vorhanden.

 

 

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Letzte Aktualisierung dieser Seite am 6.5.2024

   

 

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